Guatemala:Bloß weg hier

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Kriminalität und Armut bestimmen den Alltag. Auswanderung ist für viele deshalb die einzige Option. Daran wird auch der neue Präsident wohl nichts ändern.

Von Sebastian Schoepp, München

Ein Mädchen aus Guatemala hat es bis nach Texas geschafft. (Foto: Loren Elliott/REUTERS)

Die Wahlbeteiligung sagt alles: Rund 42 Prozent der Wahlberechtigten gingen am Sonntag zur Stichwahl um das Präsidentenamt in Guatemala, wie die größte Tageszeitung Prensa Libre am Montag berichtete - das heiße, dass die Mehrheit der Guatemalteken beide Kandidaten abgelehnt habe: Das waren der frühere Chef der Gefängnisverwaltung, Alejandro Giammattei, ein Rechtskonservativer, der knapp 59 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt, und nun vier Jahre Präsident sein wird. Seine Gegnerin war die sich selbst als Sozialdemokratin einstufende Sandra Torres, die 41 Prozent erhielt und die im Wahlkampf vor allem durch harsches Auftreten und sich ständig widersprechende Aussagen aufgefallen war.

Giammatteis Sieg deutet darauf hin, dass die Mehrheit der Minderheit zur Abwechslung mal wieder einen Präsidenten wünscht, der mit harter Hand regieren und so mit der Gewaltkriminalität aufräumen will. Kriminalität und Armut sind die Geißeln des mittelamerikanischen Landes, die Mordrate gehört zu den höchsten der Welt, wenige Reiche und kriminelle Drogenbanden kontrollieren das Land. Nach UN-Angaben leben 70 Prozent der 18 Millionen Guatemalteken in Armut.

Beides einzudämmen hat noch keiner der demokratischen Präsidenten Guatemelas der vergangenen Jahrzehnte geschafft, was zu zwei Konsequenzen geführt hat: zu einem gewaltigen Flüchtlingsstrom Richtung Norden in die USA, einer Tatsache, die das so gut wie vergessene Land auf die geopolitische Landkarte zurückgebracht hat; und zum Zweiten hat es dazu geführt, dass sich nur noch eine Minderheit von 35 Prozent etwas von Wahlen verspricht, wie eine BBC-Umfrage im Juni ergab.

Unter den gescheiterten Präsidenten der vergangenen Jahre waren gegensätzliche Figuren wie der Fernsehclown Jimmy Morales, der selbsterklärte Sozialdemokrat Álvaro Colom oder der Ex-General Otto Pérez Molina. Gemeinsam hatten letztere, dass sie nach Ende ihrer Amtszeiten wegen Korruption zur Verantwortung gezogen wurden - ein weiterer Schaden für den Ruf der Demokratie. Wie lästig den Politikern Ermittlungen sind, zeigt die Tatsache, dass Morales der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (Cicig) die Tür wies, ihr Mandat läuft im September aus.

Investitionen, teils aus Geldwäsche, brachten Wachstum. Davon profitieren nur wenige

Nur eine Minderheit der Guatemalteken glaubt, dass sich unter dem 63-jährigen Alejandro Giammattei vieles zum Guten wenden wird. Das Mandat der Cicig wird er wohl nicht verlängern. Aktionismus zeigt er in eine andere Richtung. Er hat angekündigt, er wolle das von seinem Vorgänger ausgehandelte Abkommen mit den USA abändern, das Guatemala zum sicheren Drittstaat erklärt. Das allerdings nicht aus der Einsicht heraus, dass Guatemala alles andere als ein sicherer Drittstaat ist - sondern weil Giammattei keine Flüchtlinge aus Nachbarstaaten wie Honduras oder El Salvador will, die Guatemala auf dem Weg in die USA passieren müssen und in denen es zum Teil noch schlimmer aussieht. Guatemala hat eine gemeinsame Grenze mit Mexiko, dort patrouilliert inzwischen die neue mexikanische Nationalgarde, die eigentlich geschaffen wurde, um Drogenkartelle zu bekämpfen. Zur strengeren Grenzsicherung hatte US-Präsident Donald Trump die Mexikaner genötigt, indem er ihnen mit Zöllen drohte, die der auf den Export in die USA angewiesenen Wirtschaft des Landes geschadet hätten.

Migration ist für eine Mehrheit der armen Guatemalteken derzeit die einzige Option auf ein besseres Leben. Anderthalb Millionen von ihnen leben bereits in den USA, die ohne Papiere nicht mitgerechnet; ihre Überweisungen sind die wichtigste Einnahmequelle der meisten Familien in Mittelamerika. Von den Hunderttausenden Flüchtlingen aus der caravana migrante, die in den letzten Monaten versucht haben, illegal in die USA zu gelangen, stammen die meisten aus Guatemala.

Zwar haben Investitionen, zum Teil aus Geldwäsche, zuletzt sogar zu einem Wachstum von 3,5 Prozent geführt, doch davon profitieren wenige, vor allem die Oberschicht - so auch die jetzigen Gegner in der Stichwahl, Giammattei und Torres. Pessimistisch schließt der Kommentator von Prensa Libre: Nur wenn sich die wichtigen gesellschaftlichen Gruppen zusammentäten, um das politische System aus Spielzeugparteien zu überwinden, sei der Zusammenbruch Guatemalas noch aufzuhalten.

© SZ vom 13.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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