Bernie Sanders hat nach dem 8. November 2016 nicht aufgegeben, jenem Tag, an dem Donald Trump die US-Wahl gewann. Genauso wenig wie seine Unterstützer, die auch heute noch "Bernie"-Schilder in ihren Fenstern hängen haben. Lange nachdem klar war, dass Sanders keine Chance haben würde, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden. Jetzt hat der einstige Gegner von Hillary Clinton in den demokratischen Vorwahlen dem britischen Guardian ein Interview gegeben. Darin macht er deutlich: Andere mögen in jedem einigermaßen staatsmännischen Auftritt von Trump einen Hoffnungsschimmer sehen - für Sanders ist der 45. US-Präsident ein brandgefährlicher Blender.
Als Trump bei seiner ersten Rede vor dem Kongress versprochen habe, für saubere Luft und klares Wasser zu sorgen, habe er fast lachen müssen, erzählt der 75-Jährige im Gespräch mit dem britischen Journalisten Ed Pilkington. Schließlich habe der Präsident früher an diesem Tag ein Dekret unterschrieben, das Gesetze auf Bundesstaatenebene beschneide, die dem Schutz von Wasserwegen dienten und Umweltverschmutzung verhindern sollten. "Diese Scheinheiligkeit war unglaublich!", befindet Sanders. Er wird dabei vielleicht auch an Scott Pruitt gedacht haben, jenen Mann, der als Justizminister in Oklahoma Anliegen der Ölindustrie voranbrachte und nun auf Trumps Initiative hin der US-Umweltbehörde EPA vorsteht.
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Dies seien furchterregende Zeiten für die Menschen in den Vereinigten Staaten und für die ganze Welt, so Sanders weiter. "Wir haben einen Präsidenten, der ein pathologischer Lügner ist. Trump lügt ununterbrochen." Während mancher Beobachter zuletzt bemüht schien, einem gemäßigten Trump - wie er in der Joint Speech im Kongress zu sehen war - eine Chance zu geben, ist der parteilose Sanders offenkundig nicht bereit zu Zugeständnissen. Er bleibt der aufrechte, unbeirrbare Kritiker, als der er von seinen Unterstützern verehrt wird.
Hätte Sanders Trump verhindern können?
Damit rang er seiner Konkurrentin in den demokratischen Vorwahlen mehr Stimmen ab, als die meisten vorher für möglich gehalten hätten. Schließlich trat da ein Nobody in Sachen Bekanntheit und parteiinternem Back-up an gegen die ehemalige First Lady und Außenministerin der USA. Ob er glaube, dass er gegen Trump gewonnen hätte, wird Sanders gefragt. "Die Antwort ist: Wer weiß? Möglicherweise ja, möglicherweise nein." Seine Niederlage scheint den 75-Jährigen immer noch anzugreifen - zumindest schließt das der Guardian-Reporter aus Sanders' Körpersprache.
Im zugehörigen Video ist ein Mann mit weißen Haaren und einem dunkelgrauen Pullover zu sehen, der ruhig und bestimmt erklärt, welches Ziel er hinter Trumps erratischen Tweets und wüsten Anschuldigungen vermutet. "Ich denke, Trump arbeitet auf eine autoritärere Regierung in Amerika hin, er versucht, unsere historische Gewaltenteilung abzuschaffen und dem Typen im Weißen Haus mehr und mehr Macht zu geben." Für den Senator aus Vermont sind Trumps Angriffe auf die Medien, seine Respektlosigkeiten gegenüber Richtern und seine wiederholte Behauptung, fünf Millionen Menschen hätten bei der Präsidentschaftswahl illegal abgestimmt, Teil eines größeren Plans. "Er lügt, um die Fundamente der amerikanischen Demokratie zu untergraben", so Sanders.
Er habe es nie für unmöglich gehalten, dass Trump Präsident werde. Für Sanders hat der Erfolg des Populisten maßgeblich mit der Schwäche der Demokratischen Partei zu tun - die habe sich von einer Partei der Arbeiter zu einer Partei der liberalen Elite gewandelt. Von der globalisierten Wirtschaft profitierten bislang vor allem die Gutausgebildeten. Mit seiner elitenkritischen Agenda hatte Sanders im Vorwahlkampf gegen Clinton gepunktet - die Kandidatin des politischen Establishments.
"Verzweiflung ist keine Option"
Der 75-Jährige arbeitet damals wie heute an einer Revolution von unten: Die demokratische Basis soll mehr, Berufspolitiker sollen weniger Macht bekommen. Wenn er nicht in seinem Büro in Washington ist, reist Sanders durchs Land und wirbt dafür, dass sich mehr Menschen um politische Ämter bewerben. Außerdem macht er sich für eine radikalere Wirtschaftspolitik stark. Auf seiner Agenda: eine Regulierung der Wall Street und eine stärkere Besteuerung von hohen Einkommen. Noch sei die Parteibasis nicht soweit - "aber es ist die progressivste Basis in der Geschichte der amerikanischen Politik".
Kleine Erfolge sieht Sanders bereits. Die Öffentlichkeitsarbeit in Sachen Obamacare habe insofern gewirkt, als dass die amerikanischen Bürger nicht bereit seien, eine Abschaffung des Patient Protection and Affordable Care Act (so der offizielle Name) einfach so hinzunehmen - sie verlangten von der Regierung eine Alternative. "Jetzt ist bei den Republikanern Hektik ausgebrochen, sie sind betreten." Deshalb hat Sanders eine Botschaft an all jene, die der 8. November hoffnungslos zurückgelassen hat: "Verzweiflung ist keine Option." Es könnte ein Satz sein, der demnächst als Aufkleber an Fenstern, Autos und Straßenlaternen hängt.