Süddeutsche Zeitung

Guantanamo:Willkommen in Camp Hybris

  • Entgegen einer Anordnung seines Vorgängers Obama will US-Präsident Trump das Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba offenhalten.
  • Neben rechtlichen oder ethischen Bedenken verweisen Kritiker auf die immensen Kosten des Gefangenenlagers.
  • Auch innerhalb der Trump-Regierung selbst tobt gegenwärtig offenbar eine Auseinandersetzung um den weiteren Umgang mit Guantanamo.

Von Reymer Klüver

Es ist nicht so, dass die Ankündigung in Amerika Schockwellen ausgelöst hätte. Er habe, so sagte US-Präsident Donald Trump in seiner Rede an die Nation fast beiläufig, seinen Verteidigungsminister gerade angewiesen, das Gefangenenlager in Guantanamo offen zu halten. Guantanamo? Andere Themen beschäftigen das Land, das Lager und die gut drei Dutzend dort noch einsitzenden Häftlinge stehen da nicht auf der Prioritätenliste.

Allerdings weiß man bei Trump ja nie so ganz genau, ob die Sache nur ein weiteres seiner großspurigen Versprechen ist oder ob das Dekret tatsächlich ernst gemeint ist. Wenn ja, wenn Trump also tatsächlich wieder Terrorverdächtige aus aller Welt dorthin schaffen ließe, wären die Konsequenzen enorm. Eine wütende innenpolitische Kontroverse und erbittert ausgetragene juristische Auseinandersetzungen dürften die Folge sein. Außenpolitisch wäre das ohnehin ramponierte Ansehen der Vereinigten Staaten dann auf lange Zeit endgültig ruiniert.

Gegenwärtig sitzen noch 41 Häftlinge auf dem Stützpunkt Guantanamo ein, den die US-Marine auf der Insel Kuba unterhält. Der damalige US-Präsident George W. Bush hatte die Einrichtung des Lagers wenige Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 angeordnet. Er ließ dort mutmaßliche islamistische Terroristen internieren, die im von Bush ausgerufenen "Krieg gegen den Terror" gefangen worden waren.

Für sie wurde der juristisch feinsinnige Begriff der "feindlichen Kämpfer" eingeführt. Was für die Terrorverdächtigen zur Folge hatte, dass sie so ohne zeitliche Befristung festgehalten werden konnten. Sie hatten damit weder den Schutz der Genfer Konventionen für Kriegsgefangene noch die Möglichkeit eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Zumindest in der Anfangszeit wurden Gefangene gefoltert und schikaniert und ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. So wurde Guantanamo rasch zum Symbol für die Hybris und Exzesse des amerikanischen Anti-Terror-Kampfes. Kritiker der US-Regierungspolitik bezeichneten das Lager als wirkungsvollstes Rekrutierungsinstrument der Terrorgruppe al-Qaida.

Auch Bush dämmerte, dass die Einrichtung von Guantanamo nicht der klügste Schachzug seiner Regierung gewesen war. Bis zum Ende seiner zweiten Amtszeit Anfang 2009 ließ er 532 Häftlinge entlassen. Sein Nachfolger Barack Obama wollte das Lager per Dekret ganz schließen. Guantanamo war in seinen Augen ein Symbol der Schande. Als Verfassungsjurist hatte er ein Gespür dafür, dass ein demokratischer Rechtsstaat es sich nicht erlauben kann, Menschen ohne Urteil oder zumindest die Chance auf ein ordentliches Verfahren unbefristet festzuhalten. Der Kongress verhinderte indes die Schließung. So setzte Obama die Politik seines Vorgängers fort, 197 weitere Häftlinge wurden freigelassen oder in andere Länder verlegt.

Juristen verweisen auf die Ineffektivität der Militärgerichte

Von den verbliebenen 41 Gefangenen waren weitere fünf bereits für eine Verlegung vorgesehen. Trump allerdings ließ die Transfers stoppen. Von den anderen wurden drei von Militärtribunalen zu Haftstrafen verurteilt, weitere sieben sind vor den Militärgerichten angeklagt, unter ihnen Chalid Scheich Mohammed und Ramzi Binalshibh, zwei mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge vom 11. September. Die Verfahren verlaufen äußerst schleppend. Juristen erwarten, dass sie sich noch über Jahre hinziehen könnten.

Den restlichen 26 Häftlingen aber kann nicht einmal vor Militärtribunalen der Prozess gemacht werden, weil die Beweise nicht ausreichen oder Geständnisse unter Folter erpresst wurden. Zugleich werden sie aber weiterhin als so gefährlich eingestuft, dass ihre Freilassung ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko darstellen würde. Tatsächlich nahmen nach Einschätzung der US-Geheimdienste 121 der gut 700 entlassenen Guantanamo-Häftlinge später den Terrorkampf wieder auf.

Ganz jenseits rechtlicher oder ethischer Bedenken verweisen Kritiker immer wieder auf die immensen Kosten des Gefangenenlagers. Laut öffentlich zugängigen Zahlen betragen sie mindestens 445 Millionen Dollar pro Jahr. Die Unterbringung der Häftlinge in normalen Hochsicherheitsgefängnissen wäre deutlich günstiger. Juristen verweisen zudem auf die Ineffektivität der Militärgerichte. Während vor zivilen US-Strafgerichten seit 2001 mehr als 600 Menschen wegen terroristischer Straftaten verurteilt wurden, gelangten die Militärtribunale lediglich zu acht Schuldsprüchen, von denen drei zudem noch in Berufungsverfahren kassiert wurden.

Auch innerhalb der Trump-Regierung selbst tobt gegenwärtig offenbar eine Auseinandersetzung um den weiteren Umgang mit Guantanamo. Ein Indiz dafür ist der Fall des Sudanesen Abu Khaybar. Er wurde bereits 2016 in Jemen unter Terrorverdacht gefangen genommen - er wäre ein Kandidat für Guantanamo. Die US-Behörden können sich nach einem Bericht der New York Times indes offenbar nicht einigen, was aus ihm werden soll. Das FBI würde den geständigen Mann wohl gern als Kronzeugen gegen andere Terrorverdächtige in die USA bringen.

Noch bevor Trump übrigens sein neues Dekret unterzeichnet hatte, kündigte sich bereits eine weitere juristische Auseinandersetzung über Guantanamo an. Elf der 41 Häftlinge haben den Präsidenten Mitte Januar vor einem Bundesgericht verklagt. Sie wollen nach 16 Jahren Haft endlich einen Prozess, wie ihn die US-Verfassung jedem garantiert. Das Verfahren dürfte vor dem Supreme Court landen.

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SZ vom 01.02.2018/dit
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