Süddeutsche Zeitung

Grundsteuer:Kleinstaaterei

Kurios und ungerecht: Ärmere Gemeinden müssen womöglich bald höhere Grundsteuern erheben als reiche.

Von Cerstin Gammelin

Ob es Verzweiflung war? Unfähigkeit? Oder pure Erpressung? Die große Koalition hat jedenfalls einen Gesetzentwurf zur Reform der Grundsteuer in die parlamentarische Abstimmung gegeben, mit dem die Bundesrepublik nicht nur in die Kleinstaaterei des vorvergangenen Jahrhunderts zurückfällt. Das Gesetz wird auch, so es durchkommt, dazu beitragen, dass es noch ungerechter wird hierzulande. Es eröffnet einen föderalen Steuerwettbewerb, den nur die wohlhabenden Länder gewinnen können.

Urheber des Desasters ist die CSU in Bayern. Markus Söder hat darauf bestanden, eine Öffnungsklausel in das Gesetz zu schreiben, die Ländern eigene Regeln gestattet. Bayern will nicht, dass die Grundsteuer den Wert einer Immobilie berücksichtigt, sondern nur die Fläche. Söder war sich nicht zu schade, mit einem Veto gegen das Bundesgesetz zu drohen - und ist damit durchgekommen.

Wird die Reform so verabschiedet, rückt das Ende der Solidargemeinschaft der Länder ein großes Stück näher. Die Ungleichheit wird wachsen, weil ärmere Gemeinden höhere Grundsteuern erheben müssen als reiche. Geradezu absurd ist, dass ausgerechnet die große Koalition, die das ermöglicht, einen Heimatminister beschäftigt, der für gleichwertige Lebensverhältnisse sorgen soll. Es ist Horst Seehofer aus der CSU.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2019
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