Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs:Ehevertrag darf Partner nicht maßlos belasten

Die Richter haben zwar betont, dass Vertragsfreiheit bestehe. Es dürfe aber nicht ein Ehepartner durch die Vereinbarung nach der Scheidung erheblich benachteiligt werden. Ein völliger Verzicht auf Unterhaltszahlungen sei daher sittenwidrig.

Von Helmut Kerscher

Der BGH betonte den Grundsatz der Vertragsfreiheit. Ein vom Gericht definierter Kernbereich dürfe dabei allerdings nicht angetastet werden. Dazu zählt der BGH insbesondere die Unterhaltsansprüche wegen Kinderbetreuung sowie den Alters- und Krankheitsunterhalt. Hingegen unterliege die Wahl der Gütertrennung und damit der Ausschluss des Zugewinnausgleichs für sich genommen keiner Beschränkung.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Jahr 2001 in einer Grundsatzentscheidung verlangt, Eheverträge genauer zu überprüfen. Nun gab der BGH für die Kontrolle dieser Verträge durch die Gerichte zwei Faktoren vor: Zunächst muss laut dem XII. BGH-Senat eine mögliche Sittenwidrigkeit geprüft werden. Dann muss geklärt werden, ob beim vereinbarten Verzicht auf gesetzliche Ansprüche ein Rechtsmissbrauch vorliegt.

Die Prüfung der Sittenwidrigkeit müsse sich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses beziehen. Dabei komme es auf eine "Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse der Ehegatten" an, insbesondere auf Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie auf den geplanten oder verwirklichten Lebenszuschnitt.

Sei ein Ehepartner schon bei der Unterschrift unter den Vertrag erheblich benachteiligt worden, weil der andere seine Unterlegenheit oder Abhängigkeit ausgenutzt habe, seien alle Vereinbarungen im Ehevertrag unwirksam, bestimmte das Gericht. Dann behielte der oder die zu kurz Gekommene alle gesetzlichen Unterhaltsansprüche. Auch das Vermögen könne dann aufgeteilt werden.

Genaue Prüfung vor Gericht

Bejaht ein Gericht die Gültigkeit eines Ehevertrags, muss es nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs prüfen, wie der Vertrag im Lichte der aktuellen Lebensverhältnisse des Paares angewendet wird. Dann müsse der Richter festlegen, wie den "berechtigten Belangen beider Parteien in ausgewogener Weise Rechnung" getragen werden solle. Das heißt, der Vertrag muss der neuen Situation angepasst werden, ist aber nicht von vornherein ungültig.

In dem Verfahren ging es vor allem darum, wie weit die Partner bei der Ausgestaltung von Eheverträgen gehen dürfen. Im konkreten Fall gaben die Richter dem beklagten Ehemann recht, dessen Ehevertrag das Oberlandesgericht München (OLG) mit der Begründung aufgehoben hatte, der Vertrag verstoße wegen starker Benachteiligung der Ehefrau gegen die guten Sitten. Der BGH erklärte dazu, aus dem Urteil der Vorinstanz sei nicht erkennbar, ob der Mann die Unterlegenheit seiner Frau ausgenutzt habe und der ganze Vertrag damit nichtig sei.

Der zugrunde liegende Fall muss nun nach den Vorgaben des BGH erneut vom Oberlandesgericht München beurteilt werden. Es hatte in einer Aufsehen erregenden Entscheidung einen notariellen Ehevertrag zwischen einem gut verdienenden Unternehmensberater und seiner aus Rumänien stammenden, gut deutsch sprechenden Frau wegen "unangemessener Benachteiligung" für unwirksam erklärt.

In ihrem Ehevetrag hatten die Ehepartner gegenseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichtet, mit Ausnahme des Anspruchs der Frau während der Betreuung von Kindern. Außerdem wurde Gütertrennung vereinbart und vorsorglich auf einen Zugewinnausgleich verzichtet. Auch der Versorgungsausgleich der Altersbezüge wurde ausgeschlossen.

Stattdessen verpflichtete sich der Mann zum Abschluss einer Kapitallebensversicherung über 60.000 Euro. Der Vertrag zwischen dem Unternehmensberater und der Kunsthistorikerin, die vor ihrer Ehe als Archäologin gearbeitet hatte, war 1991, drei Jahre nach der Geburt des ersten und ein Jahr vor der Geburt des zweiten Kindes, geschlossen worden. 2001 wurde die Ehe geschieden. Die Frau betrieb danach einen Spielwarenladen mit Postagentur und verdiente monatlich 500 Euro abzüglich von 270 Euro an Krankenkassenbeiträgen. Das monatliche Einkommen des Mannes gab das Gericht mit 13.500 Euro an, sein Vermögen an Immobilienbesitz mit 500.000 Euro.

Die Frau verlangte nach der Scheidung Unterhalt und die Hälfte des Vermögens. Ihr Anwalt hatte erklärt, die Familie habe sich mit Kleidern aus der Altkleidersammlung und Möbeln aus dem Sperrmüll versorgen müssen.

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