Süddeutsche Zeitung

Grundrente:Überreizt

Die SPD-Minister wollen vor der Wahl die Union vorführen - und gefährden dadurch fahrlässig das Rentenprojekt.

Von Henrike Roßbach

Es ging schnell, dass die Kanzlerin dem Sozialminister und seinem Grundrentenentwurf ein Stoppschild in den Weg gestellt hat. Zur Ressortabstimmung nicht freigegeben, befand dass Kanzleramt am Freitag kühl. Überraschen freilich dürfte das Hubertus Heil und seine Sozialdemokraten eigentlich nicht. Es muss ihnen bewusst gewesen sein, dass ihr Entwurf die maximal mögliche Provokation des Koalitionspartners ist.

Da wäre zum einen die Tatsache, dass langjährigen Geringverdiener auch dann eine Grundrente bekommen sollen, wenn sie andere Einnahmen haben oder gut versorgt in einer Partnerschaft leben - ein klarer Verstoß gegen den Koalitionsvertrag. Hinter den Kulissen erschien zwar längst ein Kompromiss möglich, entlang einer abgespeckten Bedürftigkeitsprüfung. Diese Tür aber hat Heil mit seinem Entwurf lustvoll zugeknallt.

Hinzu kommt die abenteuerliche Finanzierung: Vermutlich fanden Heil und SPD-Finanzminister Olaf Scholz es ziemlich bauernschlau, den ungeliebten Steuerrabatt auf Hotelübernachtungen als Geldquelle ins Spiel zu bringen. Stünde die Union nicht unfassbar schlecht da, falls sie die "Mövenpicksteuer" der Bekämpfung von Altersarmut vorzieht? Kurz vor einer Wahl? Das Manöver jedoch war durchschaubar. Im Ergebnis setzen Heil und Scholz damit die an sich richtige Idee einer Grundrente fahrlässig aufs Spiel. Und das könnte ihnen noch schmerzhaft auf die Füße fallen.

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Quelle:
SZ vom 25.05.2019
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