70 Jahre Grundgesetz:"Verfassung ist der Herzschlag unserer Demokratie"

Session at the lower house of Bundestag parliament to mark the 70th anniversary of the German constitution, in Berlin

Blick in den Plenarsaal des Bundestages

(Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Zum 70. Jahrestag ihrer Verkündung würdigen alle im Bundestag vertretenen Parteien die Verfassung. Einig sind sich alle auch darin: Das Grundgesetz muss beständig neuen Lebenswirklichkeiten angepasst werden.

Die Debatte zu 70 Jahren Grundgesetz beginnt mit einem Versprecher: Bundestagpräsident Wolfgang Schäuble spricht von 60 Jahren Grundgesetz. Die Bundestagsdebatte startete von diesem Versprecher unbeeindruckt.

Vertreter aller Parteien würdigten die Bedeutung des Grundgesetzes. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckard sprach vom Grundgesetz als dem "Herzschlag unserer Demokratie". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte das Grundgesetz einen "Segen der deutschen Geschichte".

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland bezeichnete es als größten Erfolg des Landes, etwa weil es den Schutz von Minderheiten gewährleistet, weshalb seine Partei es - als Minderheit - schütze. Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch betonte, "der Geist des Grundgesetzes verpflichtet uns, soziale Politik zu gestalten".

Politiker aller Fraktionen sehen aber auch einen Bedarf für Reformen. Ralph Brinkhaus, der Fraktionsvorsitzende der Union, forderte, die Zuständigkeiten und Finanzierungsregeln zwischen Bund und Ländern müssten klarer geregelt werden. Das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein. Es müssten die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die gleichen Gesetze wie im analogen Raum angewendet werden können.

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles sprach davon, dass die materiellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden müssten, damit die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung, zum Beispiel zwischen Männern und Frauen aber auch zwischen Ost- und Westdeutschland, umgesetzt werden könne.

Christian Lindner, FDP-Parteivorsitzender, mahnte an, man dürfe nicht nur dem Verfassungsgericht die Interpretation von Grundgesetzartikeln überlassen, sondern müsse die Verfassung selbst auf den Stand der Dinge bringen. Er nahm den Vorschlag zu einer Föderalismusreform von Brinkhaus auf. Auch Lindner sieht den Bedarf, die Finanzierung zwischen Bund und Ländern neu zu regeln.

Große Einigkeit herrschte bei der Forderung, die Verfassung in Zeiten von Politikverdrossenheit und der steigenden Popularität populistischer Parteien zu schützen. "Keine Verfassung kann sich selbst schützen, wenn sie nicht von der Mehrheit des Landes getragen wird," sagte Brinkhaus. Lindner mahnte, Weimar sei nicht an seiner Verfassung gescheitert, sondern daran, dass die Gesellschaft nicht für die Werte der Verfassung eingetreten sei.

Das Grundgesetz war die rechtliche und politische Grundordnung der Bundesrepublik, seit dem Beitritt der DDR ist sie die Verfassung des wiedervereinigten Deutschlands. Am 23. Mai 1949 wurde es erlassen. Für die Debatte sind auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau in den Bundestag gekommen.

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