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Verfassung:Wie sich das Grundgesetz in 70 Jahren verändert hat

Die Wiederbewaffnung, die Notstandsgesetze, der Asylartikel 16a - die deutsche Verfassung hat seit ihren Anfängen viele Veränderungen mitgemacht. Grafiken zeigen, welche.

Von Benedict Witzenberger und Sarah Unterhitzenberger

Drei Anläufe brauchte die Demokratie in Deutschland: 1849 die Verfassung aus der Frankfurter Paulskirche - das Deutsche Reich wurde aber nie eine Republik. 1919 die Weimarer Verfassung - das Ende ist bekannt. Erst 1949 gelang dem Parlamentarischen Rat eine Verfassung, die bis heute Gültigkeit hat. In damals über 70 000 Zeichen legte das Grundgesetz die Basis für die staatliche Ordnung in Deutschland fest. Es regelt, wie die Demokratie funktioniert, welche Rechte die Bürger gegenüber dem Staat haben und wie der Förderalismus zwischen Bund und Ländern aussehen soll. Was dabei wichtig ist, zeigen schon die einzelnen Unterkapitel im Grundgesetz:

In Artikel 79 steht die größte Lektion, die die Verfassungsautorinnen und -autoren aus der Weimarer Zeit gelernt haben: Die Menschenwürde und die grundlegende Ausgestaltung des deutschen Staates - Demokratie, Bundesstaat, Rechtsstaat, Sozialstaat - sind nicht durch ein Gesetz veränderbar. Viele Juristen lesen diese sogenannte Ewigkeitsklausel auch so, dass selbst eine neue Verfassung diese Rechte nicht einschränken dürfte. Das Grundgesetz wirkt also über das Grundgesetz hinaus.

Doch abgesehen von den Grundrechten wurde an dem Gesetz im Laufe der Jahrzehnte ziemlich viel herumgeschraubt. Viele dieser Änderungen sind tief im Gedächtnis der Nation geblieben: 1956 die Wiederbewaffnung 1968 die Notstandsgesetze, 1990 die neue Präambel, nachdem die Wiedervereinigung vollzogen war.

70 Jahre Grundgesetz

Die deutsche Verfassung ist am 8. Mai 1949 beschlossen worden und mit Ablauf des 23. Mai 1949 in Kraft getreten. Weitere Artikel aus dem SZ-Grundgesetz-Spezial finden Sie hier.

Andere Änderungen sind eher im Kleinen passiert, aber waren in ihren Folgen nicht weniger weitreichend: Die Einsetzung eines Wehrbeauftragten, des Petitionsausschusses, ein Gremium zur Kontrolle der Nachrichtendienste, Regeln für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.

Eine SZ-Auswertung der aktuellen und der ursprünglichen Grundgesetzvarianten hat ergeben: Heute stehen im Grundgesetz fast 95 000 Zeichen mehr als 1949. Gestrichen wurden etwa 11 000 Zeichen, gleich geblieben sind noch etwa 70 000 Zeichen.

Und so ergibt sich ein ziemlicher Flickenteppich aus Ergänzungen und Streichungen, wenn man die aktuelle Version des Grundgesetzes mit ihrem Vorgänger aus dem Jahr 1949 vergleicht.

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