Süddeutsche Zeitung

Grunderwerbsteuer:Verfassungsrichter fordern Gleichbehandlung homosexueller Paare

Warnschuss aus Karlsruhe: Laut SZ-Informationen fordert das Bundesverfassungsgericht den Bundestag nachdrücklich dazu auf, gleichgeschlechtliche Paare auch bei der Grunderwerbsteuer so zu behandeln wie Ehepaare. Das Gericht setzt dem Parlament ein Ultimatum - und droht andernfalls sogar mit Vollstreckung.

Von Guido Bohsem, Christoph Hickmann und Wolfgang Janisch

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundestag ein Ultimatum zur steuerlichen Gleichbehandlung der Homo-Ehe gestellt. Bis zum 18. Juni müsse ein Gesetz vorliegen, durch das gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften bei der Grunderwerbsteuer so behandelt werden wie Ehepaare, heißt es in einem Schreiben des Vizepräsidenten Ferdinand Kirchhof an Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Da eine entsprechende Gesetzesänderung bis heute nicht vorliegt, beabsichtigt der Senat, das weitere Vorgehen in dieser Normenkontrolle, insbesondere die Entscheidung, ob eine Vollstreckungsanordnung nach Paragraf 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz angezeigt ist, auf die Tagesordnung" seiner Sitzung am 18. und 19. Juni zu setzen, schreibt Kirchhof weiter.

Hintergrund ist ein Urteil der Verfassungsrichter vom 18. Juli des vergangenen Jahres. Die Karlsruher Richter hatten es als grundgesetzwidrig eingestuft, dass die Gleichbehandlung bei der Grunderwerbsteuer nicht sofort bei der Einführung der Homo-Ehe etabliert worden war. Erst von Dezember 2010 an hatte der Gesetzgeber den Lebenspartnern die Steuervorteile beim Kauf einer Immobilie eingeräumt, die für Eheleute seit eh und je gelten. Bis Ende 2012 wollten die Richter diese Thematik geändert sehen.

Die Ankündigung des Gerichts, möglicherweise eine Vollstreckungsanordnung zu erlassen, ist in diesem Stadium des Verfahrens zumindest ungewöhnlich. Allerdings ist die Vorschrift, auf die Kirchhof sich stützt, in der Geschichte des Gerichts schon etwa zwei Dutzend Mal angewendet worden. Danach kann es in seiner Entscheidung bestimmen, "wer sie vollstreckt; es kann auch im Einzelfall die Art und Weise der Vollstreckung regeln", heißt es in Paragraf 35 Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Was das Gericht genau meint, ist nicht klar. Womöglich will es nachträglich eine Übergangsregelung schaffen.

Die schwarz-gelbe Koalition wollte die Gleichbehandlung bei der Grunderwerbsteuer bereits 2012 im Jahressteuergesetz ändern. Das Vorhaben war aber im Vermittlungsausschuss zwischen Bund und Ländern gescheitert - und zwar weil Union und FDP die Gleichstellung der Homo-Ehe beim Ehegattensplitting nicht wollten.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte, es sei "nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung Urteile des Bundesverfassungsgerichts einfach nicht umsetzt". Hätte die Koalition Gesetzesvorschläge der SPD mitgetragen, wäre die Gleichbehandlung auch bei der Grunderwerbsteuer längst erfolgt, so Oppermann. Sein Amtskollege bei den Grünen, Volker Beck, sagte, "die schwarz-gelbe Mehrheit weigert sich vehement, die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe konsequent umzusetzen".

Inzwischen gibt es einen neuen Anlauf, eine Gleichbehandlung bei der Grunderwerbsteuer durchzusetzen - eine entsprechende Regelung ist im "Amtshilferichtlinienumsetzungsgesetz" vorgesehen. Dieses liegt derzeit im Vermittlungsausschuss. Die nächste Sitzung ist für den 5. Juni vorgesehen. Es kann also sein, dass die Vollstreckungsanordnung gar nicht notwendig sein wird.

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SZ vom 08.05.2013/mahu
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