Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt:Das Herz am rechten Fleck

Zu schwarz für grün, zu rechts für links: Katrin Göring-Eckardt muss in der eigenen Partei mit Kritik kämpfen. Ihre Wahl zur Spitzenkandidatin war für viele eine Überraschung. Bei der Bundestagswahl will die konservative Grüne mit sozialen Themen punkten.

Von Carina Huppertz

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Greens Party Holds Federal Congress

Quelle: Getty Images

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Zu schwarz für grün, zu rechts für links: Katrin Göring-Eckardt muss in der eigenen Partei mit Kritik kämpfen. Ihre Wahl zur Spitzenkandidatin war für viele eine Überraschung. Bei der Bundestagswahl will die konservative Grüne mit sozialen Themen punkten.

Die Basis hat gesprochen: Im November 2012 wählen die Grünen in ihrer ersten Urwahl Katrin Göring-Eckardt überraschend zur Spitzenkandidatin. Mit 47,3 Prozent der Stimmen lässt sie die Fraktionsvorsitzende Renate Künast und Parteichefin Claudia Roth weit hinter sich. Vor der Wahl galt die 47-Jährige als Außenseiterin, gewollt hat sie die Urwahl eigentlich auch nicht. Roth gratuliert zuerst nur über Facebook, sie müsse sich erholen von einem "inneren Sturm" - davon, dass sie, der Paradiesvogel des Parlaments, abgehängt wurde von einer vergleichsweise Unbekannten.

Großdemonstration zur Reform der DDR, 1989

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Geboren wird Katrin Göring-Eckardt am 3. Mai 1966 in Friedrichroda, einem 8000-Seelen-Ort in Thüringen. Ihre Eltern sind selbständig, sie leiten eine Tanzschule - sehr zum Missfallen der DDR-Regierung. 1984 macht Göring-Eckart Abitur und beginnt danach ein Theologiestudium in Leipzig, das sie nie abschließt. Umso mehr engagiert sie sich in Kirche und in Politik. In der Jungen Gemeinde erlebt sie schon als Jugendliche Debatten über Demokratie, später verbreitet sich die Oppositionsbewegung der DDR aus den Kirchen in die Gesellschaft. Im September 1989, knapp zwei Monate vor dem Mauerfall, gründet die damals 23-Jährige mit Gleichgesinnten die Bürgerbewegung Demokratie Jetzt. Weitere Mitglieder: der frühere Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Regisseur Konrad Weiß.

Röstel und Göring-Eckart

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Die Bürgerbewegung schließt sich 1991 mit anderen Oppositionsgruppen zum Bündnis 90 zusammen. Katrin Göring-Eckardt ist Mitglied im Thüringer Landesvorstand. Beim Zusammenschluss von Bündnis 90 mit den Grünen zwei Jahre später ist sie eine der Verhandlungsführerinnen - und wird danach Referentin für Frauenpolitik, Familie und Jugend in der gemeinsamen Landtagsfraktion. 1995 verschlägt es sie erstmals in Richtung Bundespolitik: Sie wird Mitarbeiterin eines grünen Bundestagsabgeordneten. Trotzdem bleibt sie als Landessprecherin der Partei in ihrer Heimat Thüringen verwurzelt. Das Bild zeigt sie 1996 bei einer Bundesversammlung der Grünen mit Parteifreundin Gunda Röstel (rechts).

Fischer  Göring-Eckardt

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1998 zieht sie über die Thüringer Landesliste selber in den Bundestag ein und wird parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Ab 2002 ist sie Fraktionsvorsitzende im Bundestag und unterstützt vehement die Reformen der Agenda 2010 - auch gegen Widerstand in der eigenen Partei. Mittlerweile setzt auch sie sich für Korrekturen des vielfach kritisierten Reformpakets ein.

Bundestag

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2005 schnappt ihr Renate Künast den Fraktionsvorsitz weg, Göring-Eckardt wird Vizepräsidentin des Bundestags. Die Funktion hat sie bis heute inne - und sie hat ihr Respekt über die Parteigrenzen hinaus verschafft. Als sie zur Spitzenkandidatin gewählt wird, gratulieren auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und die CDU-Politikerin Kristina Schröder. Darauf reagiert die sonst als besonnen geltende Göring-Eckardt aufbrausend: Die Gratulation dieser "Tante aus vorfeministischer Zeit" sei "das Härteste" gewesen. Nach ihrer Wahl zur grünen Spitzenkandidatin sehen CDU, CSU, Linke und FDP ihr Amt als Vize des Bundestags aber kritisch: Es erfordere Neutralität und lasse sich mit einer Kandidatur nicht vereinen, so die Kritiker. Göring-Eckardt selbst lehnt einen Rücktritt ab.

Plakat-Präsentation zum Evangelischen Kirchentag 2011

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Auch ihr Engagement in der evangelischen Kirche beobachten politische Gegner mit Skepsis. Göring-Eckardt ist seit 2009 Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), außerdem Mitglied im Rat der EKD und im Vorstand des Evangelischen Kirchentags. Während ihrer Kandidatur zur Bundestagswahl 2013 lässt sie diese Ämter ruhen. 2011 war sie außerdem Präsidentin des Kirchentags in Dresden (hier bringt sie ein Plakat dafür an), sie engagiert sich in diversen christlichen Organisationen und hat sogar ein Buch zur religiösen Erziehung rausgebracht, Titel: "Gott gibt die Fischstäbchen".

EKD-Synode

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Nicht nur wegen ihres kirchlichen Engagements gilt Göring-Eckardt als wertkonservativ und ihre Nominierung als Zeichen dafür, dass die Grünen sich endgültig von linken Protestlern zu einer Partei der bürgerlichen Mitte gewandelt haben. Im Bild ist sie mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschland, Nikolaus Schneider, und Bundeskanzlerin Merkel zu sehen. Manche sagen Göring-Eckardt eine Nähe zu den Konservativen nach. Immerhin: Schon in den neunziger Jahren war sie Teil der Pizza-Connection, einer Gruppe junger Grüner und Konservativer, die sich regelmäßig in der Bonner Pizzeria Sassella zum politischen Plausch trafen. Aus dieser Zeit kennt sie CDU-Umweltminister Peter Altmaier, mit dem die Grünen heute über Energiewende und Endlagersuche streiten.

Pk zu Mindestlohn in Berlin

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Nach ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin schließt sie eine schwarz-grüne Koalition trotzdem aus. Kürzlich stellt sie gemeinsam mit SPD-Kanzleranwärter Peer Steinbrück ein gemeinsames Ziel vor: einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Den wollen die beiden im Februar 2014 einführen, sollten ihre Parteien dann regieren. Dass die Grünen sich in einer Koalition mit den Sozialdemokraten nicht unterordnen wollen, macht Göring-Eckardt auch klar. In Anspielung an Steinbrücks Forderung nach Beinfreiheit in der eigenen Partei sagt sie: "Ich bin in einem Tanzlehrerhaushalt großgeworden und weiß von daher, dass bei Beinfreiheit einer Schmerzen bekommt und beide Gefahr laufen, umzufallen."

Lead candidates for chancellor Trittin and Goering-Eckart of Germany's environmental party Die Gruenen address party congress in Berlin

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Mit Jürgen Trittin droht ein solcher Zwist nicht, im Grünen-internen Spitzenduo sind die Rollen klar verteilt. Sie macht die soziale Gerechtigkeit, er die Energiewende und die Finanzpolitik. Auch ansonsten hat jeder sein eigenes Terrain: Trittin vertritt die Partei-Linke, Göring-Eckardt zählt zu den Realpolitikern. Er schlägt verbal gerne mal um sich, sie spricht überlegt, ganz gemäß ihres Slogans "Ideen statt Parolen". Im Wahlkampf will sie sich für eine bessere Einbindung von Arbeitslosen und Migranten in das soziale Leben und für mehr Rechte für Homosexuelle starkmachen. Das Betreuungsgeld lehnt sie strikt ab, eine Frauenquote hingegen befürwortet sie. Göring-Eckardt bezeichnet sich selbst als Sozialpolitikerin, die Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke hat sie symbolträchtig "Anwältin der Ärmsten" genannt.

Deutschland-ist-erneuerbar-Tour der Grünen

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Obwohl Göring-Eckhardt seit 15 Jahren die Politik in Berlin mitgestaltet, ist ihre Heimat nach wie vor in Thüringen. Sie ist Mitglied im Landesvorstand der thüringischen Grünen und wohnt mit ihrem Mann, dem pensionierten Pfarrer Michael Göring, in Ingersleben, gute zehn Kilometer von der Landeshauptstadt Erfurt entfernt. Ihre beiden Söhne Friedrich und Johannes sind erwachsen. Privates ist über sie wenig bekannt. Außer dass sie joggen geht und dass sie versuchen will, das auch während des Wahlkamps regelmäßig zu schaffen. In ihrer Bewerbung zur Urwahl schrieb sie außerdem von ihrem Wunsch, einmal Schlagzeug spielen zu können. Das sei wohl ein guter Ausgleich, weil ihr sonst eher die leisen Töne zugeschrieben würden.

© Süddeutsche.de/chu/olkl/rus
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