Ricarda Lang und Omid Nouripour sind beim Grünen-Parteitag in Karlsruhe in ihrem Amt bestätigt worden. Lang ist mit 82,3 Prozent wiedergewählt worden, Nouripour mit 79,1 Prozent. Die Delegierten ermöglichten Lang und Nouripour damit eine weitere zweijährige Amtszeit. Überraschend kam die Wiederwahl der beiden Co-Parteichefs nicht - sie galt bereits vor Beginn des Parteitags als sicher.
Lang trat auf dem für Frauen reservierten Platz ohne Gegenkandidatinnen an und holte ein besseres Ergebnis als bei ihrer ersten Wahl. Sie hatte im Januar 2021 75,9 Prozent der Stimmen erhalten. Da sie damals bei einem digitalen Parteitag gewählt worden war, musste danach noch einmal per Brief abgestimmt werden - bei dieser Wahl erhielt Lang 78,7 Prozent der Stimmen.
Die Grünen müssten sich noch stärker auf soziale Gerechtigkeit fokussieren, sagt Lang
Lang kommt aus Baden-Württemberg und rechnet sich dem linken Parteiflügel zu. Sie ist seit 2012 bei den Grünen und war auch schon Chefin der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend. Ihr Schwerpunkt ist die Sozialpolitik. Mit ihrem Co-Vorsitzenden Omid Nouripour arbeitet Lang ohne ersichtliche Probleme zusammen.
Bei ihrer Bewerbungsrede betonte Lang die Erfolge der Grünen als Teil der Ampelkoalition mit SPD und FDP. "Ich bin so unfassbar stolz darauf, was wir in den letzten beiden Jahren geleistet haben", sagte Lang und nannte das 49-Euro-Ticket, die Sicherung der Gasversorgung im vergangenen Winter und die Abschaffung des Paragrafen 219a, der es Ärztinnen und Ärzten verboten hatte, über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren.
Lang zeigte sich aber auch selbstkritisch. So gelinge es den Grünen nicht immer, die Menschen zu erreichen. Sie selbst sei in Zeiten, in denen ihre Partei in Bedrängnis gekommen sei, manchmal etwas "ins Technokratische" abgerutscht. Außerdem brauchten die Ampel und auch die Grünen selbst aus ihrer Sicht einen stärkeren Fokus auf soziale Gerechtigkeit. Nötig sei "ein neues Gerechtigkeitsversprechen für die Breite der Gesellschaft - von guten Tariflöhnen über Investitionen in die Infrastruktur bis zu einem verlässlichen Sozialstaat."
Nouripour berichtet von dramatischen Konsequenzen seiner politischen Arbeit
Nouripour gilt als ausgewiesener Außenpolitiker und zählt zum Realo-Flügel der Grünen. Der 48-Jährige verbrachte seine Kindheit in Teheran und kam im Alter von 13 Jahren mit seiner Familie nach Hessen. Er ist ein scharfer Kritiker der iranischen Führung. Auf dem Parteitag berichtete er von dramatischen Konsequenzen seiner politischen Arbeit für Angehörige in Iran. Nachdem er sich im vergangenen Jahr deutlich zu den mutigen Frauen in Iran geäußert habe, die gegen das Regime auf die Straße gehen, habe er Anrufe von Verwandten erhalten, "die mich gefragt haben, ob ich es auch leiser machen kann, weil sie aufgrund meiner Arbeit hier bedroht worden sind. Und nicht alle haben das überlebt." Nouripour sagte, es sei nach dieser Nachricht "ungemein schwer gewesen für mich, noch einmal Tritt zu fassen".
Auf der Tagesordnung bei dem Treffen in Karlsruhe stand für diesen Freitag nicht nur die Wahl des Parteivorstandes, sondern auch die Wahl der Spitzenkandidatin für die Europawahl im kommenden Jahr. Wie erwartet ziehen die Grünen mit Terry Reintke in den Wahlkampf; sie wurde mit 95 Prozent auf Platz 1 der Europaliste gewählt. Die 36-Jährige ist einer der beiden Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Europaparlament.

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"Wir werden nächstes Jahr mit aller Kraft gegen einen Rechtsruck im europäischen Parlament kämpfen müssen", sagte Reintke. Teile der europäischen Konservativen wollten mit Rechtsextremen zusammen Mehrheiten schaffen. Sie werde dagegen für eine klimaneutrale und gerechte EU kämpfen, die einen fairen Mindestlohn garantiere und Mindeststandards bei der Besteuerung vorsehe.
Auf dem Parteitag wollen die Grünen auch noch ihr Europaprogramm beschließen. Bei der Europawahl 2019 hatte die Partei mit 20,5 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis auf Bundesebene erzielt.