Nach dem guten Abschneiden bei der Landtagswahl in Hessen sehen sich die Grünen in einer günstigen Ausgangslage für das Superwahljahr 2009. "Wir wollen dritte Kraft werden", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth am Freitag zum Auftakt eines Parteitages in Dortmund.

Von der "angeblichen bürgerlichen Mehrheit" lasse man sich nicht nervös machen. Der Sieg von CDU und FDP in Hessen sei "durch das desaströse Versagen der SPD überhaupt erst möglich" geworden.
Auf dem dreitägigen Parteitag bereiten sich die Grünen auf die Europawahl im Juni vor. "Von Hessen und der Wahl zum Europaparlament gehen die beiden großen Zeichen für die Bundestagswahl aus", sagte die Fraktionschefin im Bundestag, Renate Künast.
Zusammen mit Vize-Fraktionschef Jürgen Trittin ist Künast Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl im September. Die Wählerschaft der Grünen zeichne eine pro-europäische Grundhaltung aus, betonte Künast. "Wir sind begeisterte Europäer", fügte sie hinzu. Mit 11,9 Prozent hatten die Grünen 2004 ihr bislang bestes Ergebnis bei Europawahlen erzielt.
Der Parteivorsitzende und scheidende Europaabgeordnete Cem Özdemir warnte angesichts dessen vor zu hohen Erwartungen. 2004 habe durch das historisch schlechteste Ergebnis der SPD eine besondere Situation geherrscht. "Jedes Ergebnis über zehn Prozent ist sensationell", sagte er zu den Perspektiven der Grünen für die Europawahl.
Aus Sicht der Grünen handele es sich nicht einfach um eine "vorgezogene Bundestagswahl". Das Europaparlament sei das am "meisten unterschätzte Parlament".
In Dortmund befinden etwa 750 Delegierte bis Sonntag über das Programm für die Europawahl und eine 30-köpfige Kandidatenliste, an deren Spitze die Sprecherin der deutschen grünen Europaabgeordneten, Rebecca Harms, und Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer stehen sollen. Ebenfalls um führende Listenplätze wollen sich zwei Quereinsteiger bemühen: der Attac-Mitbegründer Sven Giegold und die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Barbara Lochbihler.
Die Grünen freuten sich über die "Verstärkung von außen", sagte Özdemir. Die Ko-Vorsitzende Claudia Roth nannte Lochbihler "eine laute, eine kraftvolle Stimme" für Menschenrechte. Wenn es wiederum um Finanzmarktfragen gehe, kenne sie kaum jemanden, der versierter sei als Giegold.
Erneute Kandidaturen kündigte eine Reihe jetziger Europaabgeordneter an, unter ihnen Heide Rühle und Michael Cramer. Nach seinem Scheitern bei der Listenaufstellung für die Bundestagswahl 2005 bewirbt sich der frühere DDR-Bürgerrechtler und Bundestagsabgeordnete Werner Schulz um eine Kandidatur für die Europawahl. Wegen der Schwäche der Grünen in Ostdeutschland wurde seiner Bewerbung von der Parteiführung hohe Bedeutung beigemessen.
Heftige Diskussionen wurden über den Entwurf für das Europawahlprogramm erwartet. Bis zum Beginn des Parteitages gingen etwa 600 Änderungsanträge ein. In dem "Grüne Wege für ein besseres Europa" überschriebenen Papier beharren die Grünen auf ökologischen Antworten auf die Finanz- und Wirtschaftskrise.
"Mit einem konzentrierten sozial-ökologischen Investitionsprogramm wollen wir in Deutschland und in Europa gegen die Rezessionsgefahr angehen", heißt es im Entwurf. Er enthält zudem die Forderung nach EU-weiten Volksabstimmungen und Mindestlöhnen in allen Ländern der Union.