Süddeutsche Zeitung

Grüne:Wasser für die Mühle

Partei-Chef Robert Habeck versucht auf seiner Sommerreise, wieder Aufmerksamkeit für Öko-Themen zu wecken.

Von Constanze von Bullion, Dresden/Kreinitz

Irgendwann beim Besuch dieser Kathedrale des Leitungswassers fragt Herr Doktor Brinkmann dann, ob sie noch runter wollen. "Wir wollen runter", sagt der Gast und stapft über drei Treppen in die Unterwelt. Im Keller ist es kühl, und Robert Habeck legt sacht die Hand auf ein meterdickes Wasserrohr. "Mächtig", sagt er. Es folgt eine kleine Kunstpause. Für ihn selbst könnte es ja noch etwas dauern mit der Macht.

Nach Monaten der Pandemie wollen Habeck und Baerbock raus ans Licht

Dienstag im Wasserwerk Coschütz bei Dresden, Robert Habeck ist unterwegs in Sachsen. Der Grünen-Chef holt einen Termin der grünen Sommerreise nach. Im Wechsel mit Parteichefin Annalena Baerbock ist Habeck durch Deutschland getourt. "Zu achten und zu schützen", so haben die beiden ihre Besuche in Betrieben überschrieben. Der Zitatfetzen aus Artikel Eins des Grundgesetzes klingt feierlich, fast wie ein Eid. Dabei geht es unterwegs eher praktisch zu.

"Koaxialkabel", sagt Doktor Brinkmann. Und: "Nebenkostenprivileg". Irgendwann kommt er zur "Dargebotsredundanz". Habeck nickt. Im Wasserwerk Corschütz hat der Vorstandsvorsitzende der ostsächsischen Wasserbetriebe Frank Brinkmann begonnen, dem Grünen-Vorsitzenden die Sache mit dem Wassermangel zu erklären. Weil so viel Regen ausblieb in den vergangenen drei Sommern und weil das Wasser aus den Talsperren der Elbe immer öfter Tiefststände erreicht, müssten die Brunnen immer tiefer gebohrt werden. Jede Kommune mache hier ihre eigene Wasserpolitik, erzählt Brinkmann. Oft seien zwischen benachbarten Gemeinden nicht einmal die Rohre verbunden. "Möglicherweise wird es dann Engpässe geben", sagt Habeck. Und Brinkmann nickt.

Was hat das Land aus der Coronakrise gelernt, und wie kann es krisensicherer werden? So haben die Grünen ihre Sommerreise überschrieben, aber natürlich geht es auch um die Zukunft der eigenen Partei. Nach Monaten in der Pandemie, die die Oppositionspartei in eine schmerzhafte Quarantäne befördert hat, wollen Habeck und Baerbock raus, ans Licht, wieder in die Vorhand kommen.

Nur, wie geht das in Zeiten von Corona, in der der Wunsch nach Veränderung bei vielen Menschen der Sehnsucht nach Altbekanntem gewichen ist? Bei der SPD trägt diese Sehnsucht jetzt den Vornamen Olaf. Wie ein Kaugummi klebt die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz den Grünen in diesen Tagen an den Sohlen. Sie beschert ihnen immer gleiche Fragen nach einer grünen Kanzlerkandidatur und danach, wer denn 2021 regieren soll und mit wem. Habeck und Baerbock passt das alles nicht.

Die grüne Aufbruchsstimmung, die sie vor Corona erlebt haben, ist irgendwie versickert in Videokonferenzen und dem Wunsch vieler Bürger, bittschön bald zurückzukehren zur Sicherheit des Lebens vor der Pandemie. Mit dem grünen Appell an Veränderungsbereitschaft und Umdenken ist das nur noch schwer vereinbar. Und Habeck? Der will nach einem Sommerinterview in der ARD, bei dem er wie ein Schulbub ins Stocken kam bei der Frage, was die Finanzaufsichtsbehörde Bafin so macht, jetzt vor Sachfragen stellen.

Am Dienstag jedenfalls sitzt ein außerordentlich aufmerksamer Grünen-Chef im Wasserwerk Coschütz. An die Wand eines Konferenzzimmers werden Grafiken geworfen. Immer weiter steigt da die Linie, die den Wasserverbrauch markiert, und immer weiter sinkt die Line, die für die noch vorhandenen Grundwasserreserven steht. "Wasser, Versorgungssicherheit in Deutschland, das wird ein Thema werden", sagt Gunter Menzel, der sich hier um Wasseraufbereitung und Verteilung kümmert. Menzel sieht nicht so aus, als habe er immer die Grünen gewählt. Aber die Klimakrise, so hoffen zumindest die Grünen, zwingt jetzt zu ganz neuen Allianzen.

Selbstverständlich wollen die Grünen keine Panik verbreiten, und selbstverständlich wollen sie auch in Sachen Wasserknappheit nur auf Probleme hinweisen. Aber schaden würde es den Umfragewerten der Partei natürlich nicht, wenn die Klimaprobleme wieder etwas ernster genommen würden. Und wenn ein paar Ingenieure und Menschen, die bisher vielleicht Angela Merkel gewählt haben, bei der Bundestagswahl die Seiten wechseln würden, hin zu den Grünen.

Robert Habeck steht dann auf und stiefelt los, über einen Werkshof und hinein in ein Gebäude, das innen an eine Kirche erinnert. Unter Säulen und hinter blau getönten Scheiben, rieselt Wasser durch große Becken. Hier wird das Trinkwasser für die Stadt Dresden gereinigt. "Wasser, ein Symbol", sagt der Grünen-Chef noch. Viel Zeit aber bleibt nicht mehr, und dann verfrachtet man ihn schon in einen feuerroten Transporter.

In Kreinitz an der Elbe wartet Gerhard Förster. Er leitet die Agrargenossenschaft Kreinitz, und er will mit dem Grünen-Vorsitzenden über sinkende Erträge sprechen. Mitten auf dem Feld hat man für seine Entourage einen Stuhlkreis aufgebaut. Um ein Viertel sind die Ernten wegen des Wassermangels zurückgegangen, "gleichbleibend" seit drei Jahren, sagt Förster. Auch an Viehfutter fehle es inzwischen. Habeck schlägt vorsichtig vor, die Fleischproduktion doch etwas zu drosseln, wenn absehbar das Futter fehle. "Hm", sagt Förster. Die Umweltauflagen für die Landwirte seien zu hoch. Irgendwo über der Elbe beginnt es wenig später zu donnern. Dann fällt Wasser auf den Grünen-Vorsitzenden. Viel. So viel, dass Robert Habeck das Weite sucht.

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Quelle:
SZ vom 19.08.2020
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