Grüne im Umfragehoch:Warum die grünen Überflieger schnell abstürzen könnten

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Habeck und Baerbock haben ihre Partei zu Superlativen geführt. Doch so beeindruckend der Umfragetrend, so außergewöhnlich auch die Umstände. Aufstieg und Fall von Martin Schulz sind ihnen längst eine große Mahnung.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Die große Welle, auf der die Grünen gerade unterwegs sind, ist mächtig; und sie erweckt allmählich den Eindruck, als werde sie niemals brechen. Kein Tag vergeht, ohne dass ein Umfrageinstitut noch bessere Zahlen für sie bereithält; kaum eine politische Debatte findet statt, ohne dass über den grünen Einzug ins Berliner Kanzleramt spekuliert wird. Für die Grünen ist das auf den ersten Blick Genuss und Genugtuung - auf die Klugen unter ihnen muss es allmählich aber gespenstisch wirken.

Bei all dem, was derzeit rund um die Grünen geschieht, sollte man nicht vergessen, dass es nicht einmal zwei Jahre her ist, als die gleiche Partei um ihre Existenz fürchten musste. Im Frühjahr 2017, als die Grünen in den damaligen Wahlkampf starteten, standen sie bei sieben bis acht Prozent. Und kaum jemand von ihnen glaubte, dass es bis zur Wahl im September besser werden könnte. Ihr Spitzenpersonal weckte keine Neugier mehr; dazu galt der Klimaschutz nicht gerade als Gewinner-Thema. Deshalb hatte die damalige Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sehr recht, als sie beklagte, dass alle Trends gegen sie stünden.

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Nach ihrem Rekordergebnis bei der Europawahl setzen die Grünen ihren Höhenflug auch in den Umfragen zur Bundestagswahl fort. Eine Mehrheit der Deutschen wünscht sich Neuwahlen.

Am Ende wurden es 8,9 Prozent; die Grünen zogen als kleinste Fraktion in den Bundestag ein. Wer sich das vergegenwärtigt, weiß heute zweierlei: Was damals politisch so gar nicht funktionieren wollte, verleiht den Grünen heute ihre Flügel. Und: All das kann sich unglaublich schnell wieder ändern. Deshalb haben sich gerade die beiden Überflieger Annalena Baerbock und Robert Habeck sehr genau angesehen, wie Aufstieg und Absturz von Martin Schulz, dem Kurzzeit-Hero, verliefen.

Baerbock und Habeck stecken in einem großen Dilemma

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In Bremen könnte demnächst ein Dreier-Bündnis aus SPD, Grünen und Linken regieren. Mit Blick auf die nächste Bundestagswahl könnte das eine starke Botschaft nach Berlin senden, meint SZ-Autor Peter Burghardt.

Sie haben studiert, welche Übertreibungen in die eine wie die andere Richtung zu all dem beitrugen. Und sie werden nicht vergessen, was passiert, wenn hochfliegende Erwartungen in dramatische Enttäuschungen münden. Sich jetzt von der Stimmung treiben und tragen zu lassen, wäre für die Grünen brandgefährlich. Denn was derzeit läuft, spiegelt noch nicht reale Stärken wider; es ist einer dramatischen Überhitzung der Debatten geschuldet, angefeuert durch Umfragen, Medienberichte und Twitter-Euphorien, die in immer kürzeren Abständen immer noch mehr vermeintliche Belege für eine neue grüne Stärke liefern.

Baerbock und Habeck stecken denn auch in einem großen Dilemma. Die grünen Anhänger träumen schon vom großen Umbau der Gesellschaft, getrieben vom Klimaschutz. Die Pragmatiker in der Parteispitze dagegen spüren, dass sie für die riesigen Erwartungen noch nicht angemessen aufgestellt sind. Schon jetzt können sie in Kommunen und einigen Ländern beobachten, was es für eine relativ kleine Partei bedeutet, überall neue Mandate zu besetzen. Und sie wissen, dass sie - sollte sich der Hype tatsächlich bis zur nächsten Bundestagswahl halten - noch viel tun müssen, um in einem komplexen Regierungsapparat nicht rasend schnell abzustürzen.

Zumal die Trends, die derzeit für sie sprechen, dann womöglich gar nicht mehr so viel weiterhelfen würden. Das noch immer Neue an Habeck und Baerbock weckt zurzeit viel mehr Interesse, als es bei der politischen Konkurrenz der Fall ist. Und nachdem vor drei, vier Jahren vor allem die Straßenproteste von Pegida und AfD die Stimmung im Land prägten, sind es aktuell die jungen Menschen mit ihren Klimaschutz-Forderungen. Was aber ist, wenn die schlechteren Wirtschaftsprognosen Wahrheit werden sollten? Wenn die Angst vor Arbeitslosigkeit plötzlich dominant wird als Thema? Die Frage sagt viel darüber aus, welche Bedeutung der grüne Höhenflug aktuell hat - und welche noch nicht.

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