Süddeutsche Zeitung

Saarland:23 Stimmen fehlen

Die Grünen haben es ganz knapp nicht geschafft in den Landtag - es ist auch die Folge interner Streitereien.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Jetzt bloß den Schaden aufs Regionale begrenzen. Das war die Haltung der Bundesspitze der Grünen am Tag nach der verlorenen Landtagswahl im Saarland. Die Grünen sind dort am Sonntag auf 4,99 Prozent der Stimmen gekommen und haben den Wiedereinzug ins Parlament verpasst, um gerade mal 23 Stimmen. Das Ergebnis sei denkbar knapp, sagte die Bundesvorsitzende der Partei, Ricarda Lang, am Montag in Berlin. "Das zeigt, in der Demokratie ist keine Stimme ohne Bedeutung."

Weitere Botschaften der Ermutigung ließen sich allerdings nicht aus dem Wahlergebnis destillieren, das für die Grünen enttäuschend ausfiel. Es habe "einige Turbulenzen" gegeben, sagte Grünen-Chefin Lang mit Blick auf den Landesverband an der Saar. "Wir haben dort schwierige Jahre hinter uns, insbesondere mit Blick auf die letzte Bundestagswahl." Die grüne Spitzenkandidatin Lisa Becker habe "einen sehr guten Job gemacht" und versucht, den Landesverband neu aufzustellen. Binnen weniger Monate aber sei das nicht möglich gewesen. "Es hat die Zeit gefehlt, das zu vollenden."

Die Saar-Grünen gelten seit Jahren als Sorgenkind der Grünen. Grund war vor allem der langjährige Landesvorsitzende Hubert Ulrich, der als persönlich ungewöhnlich schwierig und eigenwillig galt. Ulrich, der sich nach Jahren an der Spitze der Saar-Grünen Dauerärger mit der grünen Bundesspitze eingehandelt hatte, hatte sich schon einmal aus seiner Führungsposition zurückgezogen. Als Vorsitzender des mitgliederstarken Ortsverbands Saarlouis setzte er unverhofft zum Comeback an und ließ sich 2021 zum Spitzenkandidaten der Saar-Grünen für die Bundestagswahl wählen.

Zuvor hatte eine weibliche Bewerberin, der Listenplatz 1 laut Parteistatut zustand, dreimal die nötige Mehrheit verfehlt. Hubert Ulrich habe ihr Scheitern gezielt herbeigeführt und wahlberechtigte Delegierte manipuliert, um dann selbst als Spitzenkandidat antreten zu können, warfen Parteifreunde ihm vor. Auch eine weitere Bewerberin scheiterte. Die Bundesspitze der Grünen, an der damals noch Annalena Baerbock und Robert Habeck standen, intervenierte zu spät. Es folgten Monate des Streits, das Bundesschiedsgericht der Partei wurde eingeschaltet. Denn dass das mutmaßlich einzige Bundestagsmandat der Saar-Grünen an einen Mann statt eine Frau gehen sollte, widersprach der Satzung.

Zu wenig Zeit für Lisa Becker

Erholt haben die Saar-Grünen sich von den Auseinandersetzungen nicht. Bei der Bundestagswahl 2021 konnten sie nicht antreten, weil eine gültige Bewerberliste fehlte. Lisa Becker, die Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl am Sonntag, habe das verlorengegangene Vertrauen so schnell nicht wiedergewinnen können, bedauerte die Bundesvorsitzende Ricarda Lang am Montag. Auf die Frage, warum die Performance von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock so wenig Widerhall gefunden habe an der Saar, winkte sie ab. "Man sieht ganz klar, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen der Entwicklung im Saarland und der im Bund", sagte Lang. Im Saarland habe es "eine Personenwahl" gegeben. Wahlsiegerin Anke Rehlinger von der SPD habe da einfach "besser verfangen".

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