Süddeutsche Zeitung

Grüne im Saarland:"Rückfall in alte, längst überwunden geglaubte Zustände"

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Die Wahl des ehemaligen Landeschefs Hubert Ulrich auf Listenplatz 1 im Bundestagswahlkampf erregt Unmut bei den Saargrünen - laut Satzung ist der Platz einer Frau vorbehalten. Auch die Parteispitze in Berlin ist verärgert.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es gibt jetzt also Ärger bei den Grünen, im Landesverband Saar, aber auch in Berlin. "Das ist ein Rückfall in alte, längst überwunden geglaubte Zustände im Saarland", sagte der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Dienstag. "Ich hätte es richtig gefunden, dass auch im Saarland das Frauenstatut angewendet wird und auf Platz 1 eine Frau gewählt wird." Schon am Montag hatte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ihr Missvergnügen zum Ausdruck gebracht. "Wir haben uns das anders gewünscht", sagte sie.

Gemeint war die Wahl von Hubert Ulrich, der bei einem Landesparteitag der Saar-Grünen am Wochenende auf Listenplatz 1 im Bundestagswahlkampf gewählt wurde. Bleibt es dabei, kann der ehemalige Landeschef das einzige, als sicher geltende Bundestagsmandat der Saar-Grünen antreten. Das aber ist ein unübliches Vorgehen bei den Grünen. Bei der Aufstellung von Listen bleibt Platz 1 normalerweise einer Frau vorbehalten. "Sollte keine Frau auf einen Frauenplatz kandidieren oder gewählt werden, bleiben diese Plätze unbesetzt", heißt es dort weiter. Gibt es Streit, ob auf einen Frauenplatz auch ein Mann gewählt werden kann oder nicht, kann ein Frauenvotum weiblicher Delegierten entscheiden.

Beim Parteitag der Saar-Grünen am Wochenende war das der Fall. Der bisherige Landeschef Markus Tressel, der als einziger Saar-Grüne im Bundestag sitzt, tritt im Herbst nicht mehr an. Für sein Mandat bewarb sich Co-Parteichefin Tina Schöpfer. In drei Wahlgängen allerdings unterlag sie , bekam nur 40 von gut 140 Stimmen. Daraufhin trat die Chefin der Grünen Jugend Saar Jeanne Dillschneider an, auch sie unterlag. Da eine Mehrheit keine Einwände hatte, die Wahl von Platz 1 für einen Mann zu öffnen, trat der ehemalige Landeschef Hubert Ulrich an. Der 63-jährige ehemalige Landeschef hatte seine politischen Ämter bereits zweimal niedergelegt, zuletzt 2017, als die Grünen aus dem Landtag flogen. Ulrich gilt Kritikern als persönlich schwierig, hatte aber offenbar eine stabile Mehrheit für seine Wahl organisiert.

"Ein Affront gegenüber dem gesamten Bundesvorstand"

Verschiedene Ortsverbände der Saar-Grünen wollen nun in einem Bündnis gegen die aufgestellte Liste vorgehen. "Das offensichtliche und rücksichtslose Hinwegsetzen über das Frauenstatut" sei weder für die Grünen im Saarland noch für den Bundesverband hinnehmbar, teilte das "Grüne Bündnis Saarland" am Dienstag mit. Ungerade Listenplätze seien Frauen vorbehalten. Das mit Hubert Ulrich jetzt ein Mann auf Listenplatz eins stehe, stelle eine Verletzung des Satzungs- und Wahlrechts dar und sei "ein Affront gegenüber dem gesamten Bundesvorstand".

Kritische Töne kamen auch vom scheidenden Bundestagsabgeordneten Markus Tressel. "Einige Leute haben für die persönlichen Interessen eines Kandidaten die Arbeit vieler Jahre kaputt gemacht", sagt er. Unter der Ägide von Hubert Ulrich seien die Grünen zweimal aus dem Landtag geflogen, nun plane er ein Comeback. "Als Politiker muss man im Interesse der Partei auch mal wissen, wann Schluss ist."

Die Sache dürfte das Landesschiedsgericht und vermutlich auch das Bundesschiedsgericht der Grünen beschäftigen. Ulrich gibt sich gelassen. "Wir haben uns, einschließlich Frauenvotum an das Bundesfrauenstatut und die Landessatzung gehalten", sagt er. Dass Landeschefin Schöpfer gescheitert sein, habe sie sich selbst zu verdanken. "Sie hat sich nach den Verzicht von Markus Tressel völlig zurückgezogen und um nichts gekümmert." Auch die zweite Bewerberin sei "eine umstrittene Person". Den bevorstehenden Rechtsstreit werde er gewinnen.

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