Die Grünen-Spitze zieht nach den Misserfolgen der Partei bei mehreren Wahlen personelle Konsequenzen. Die Co-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour gaben in Berlin den Rückzug des gesamten Parteivorstandes im November bekannt. Reaktionen zum Rücktritt:
Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, sieht den Wechsel an der Grünen-Spitze als Zeichen für einen Zerfall der Regierungskoalition. „Die Fliehkräfte in der Ampel nehmen weiter zu“, sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur Reuters. „Mit dem Rücktritt des gesamten Parteivorstandes der Grünen zerbröselt die Koalition vor laufenden Kameras.“ Gerade jetzt könne sich Deutschland einen weiteren Verlust an Regierungsfähigkeit nicht leisten, sagte Frei. „Anstatt in eine wochenlange Hängepartie zu schlittern, wären mutige Entscheidungen notwendig“, forderte er. Die Menschen im Land erwarteten Antworten auf die sich zuspitzende Wirtschaftskrise. „Und sie verlangen eine Kehrtwende in der Migrationspolitik.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagt, das Problem seien nicht die Grünen an der Parteispitze, sondern die Grünen in der Bundesregierung. „Die rot-grün-gelben Dominosteine sind am Fallen.“
Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil danken der zurückgetretenen Grünen-Spitze für die Zusammenarbeit. „Wir haben gemeinsam an der Spitze unserer beiden Parteien stets verlässlich und vertrauensvoll Dinge besprochen und geklärt“, heißt es in einem gemeinsamen Statement. „Trotz mancher inhaltlichen Unterschiede war diese Partnerschaft sehr angenehm, weil sie auch menschlich belastbar war.“ Deshalb danke man Nouripour und Lang „von Herzen“. Aussagen zu möglichen Auswirkungen auf die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP machen sie nicht.
Solche erwartet nach eigenem Bekunden der Kanzler nicht: Olaf Scholz habe eng und vertrauensvoll mit dem grünen Führungs-Duo zusammengearbeitet, sagt sein Sprecher Steffen Hebestreit und fügt hinzu: „Er bedauert diesen Schritt. Das hat keinerlei Auswirkung auf die Koalition.“
Habeck: „Hinter uns liegen harte Monate, die Grünen standen voll im Gegenwind“
Der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagt: „Dieser Schritt zeugt von großer Stärke und Weitsicht. Ricarda Lang und Omid Nouripour beweisen, was für sie der Parteivorsitz bedeutet: Verantwortung. Sie machen den Weg frei für einen kraftvollen Neuanfang. Das ist nicht selbstverständlich, es ist ein großer Dienst an der Partei.“
Habeck sagt weiter: „Hinter uns liegen harte Monate, die Grünen standen voll im Gegenwind.“ Die Niederlagen bei den zurückliegenden Wahlen seien unstrittig vom Bundestrend beeinflusst. „Wir tragen hier alle Verantwortung, auch ich. Und auch ich will mich ihr stellen.“ Die Grünen wollen im Herbst entscheiden, ob sie bei der Bundestagswahl 2025 einen Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken. Voraussichtlich fällt die Entscheidung vor dem Bundesparteitag Mitte November. Nachdem Außenministerin Annalena Baerbock gesagt hat, dass sie diesmal nicht an der Spitze stehen will, läuft alles auf Habeck hinaus.
Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält den Schritt der Vorsitzenden für richtig. „Beide haben die Partei in nicht einfachen Zeiten mit hoher Loyalität zur Bundesregierung geführt. Das verdient großen Respekt“, teilt Kretschmann mit, der explizit nicht zum linken Parteiflügel gehört.
Schleswig-Holsteins Grünen-Landesvorsitzende Anke Erdmann bezeichnete den Rücktritt der Parteispitze als „Startposition für einen Aufbruch und die Neuaufstellung für einen kraftvollen Bundestagswahlkampf“. Sie sagte: „Wir können die aktuellen Wahlergebnisse und Umfragen nicht schönreden und es wird ein Kraftakt, aus der Delle herauszukommen.“