Polen und Tschechien:Grüner wird’s hier nicht

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Das Massensterben von Fischen in der Oder 2022 hat gezeigt, dass auch Polen große Umweltprobleme hat. Grüne Parteien profitieren aber kaum davon. (Foto: Marcin Bielecki/dpa)

In Polen und Tschechien sind Ökoparteien Randerscheinungen. Naturschutz ist trotzdem Teil der Politik in diesen Ländern – hat aber häufig einen eher konservativ-christlichen Anstrich.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Die Grünen-Partei ist in Polen an der Regierung beteiligt. Die Parteivorsitzende Urszula Zielińska ist auch stellvertretende Umweltministerin. Eines ihrer wichtigsten Themen in den bisher neun Monaten Amtszeit war die Aufarbeitung des Fischsterbens in der Oder und deren Zuflüssen. Für die polnischen Grünen war die große Umweltkatastrophe 2022 beinahe ein Wahlkampfgeschenk. Während die damals regierende PiS-Partei möglichst viel verschleierte und verschleppte, taten sich die Grünen, die Zieloni, mit Sachverstand hervor.

Bei der Wahl vor einem Jahr wurden sie mit drei Abgeordneten ins Parlament gewählt – und zogen in die Regierung ein. Allerdings nicht als eigenständige Fraktion, sondern als Teil von Donald Tusks großer Bürgerkoalition. So heißt die erweiterte Liste von Tusks konservativer Partei Bürgerplattform, auf der sich weitere Kleinstparteien versammeln.

Tusks großer Apparat ist für die polnischen Grünen derzeit die einzige Chance, auf der politischen Bühne mitzuspielen. Allein haben sie weder genug Geld noch genug Leute, um einen Wahlkampf zu bestreiten. Und es würde ihnen wohl so ergehen wie den tschechischen Grünen, den Zelení. Die erhielten bei der vergangenen Parlamentswahl 2021 nicht einmal ein Prozent der Stimmen.

Nein zu Atomkraft? Das finden die meisten Tschechen eher irrational

Inhaltlich setzen beide auf die politischen Grundrezepte der Grünen. Das bedeutet neben einer starken Betonung demokratischer Mitgestaltung und dem Einsatz für Minderheitenrechte auch: Nein zur Atomkraft. In Tschechien, das seit den Achtzigern auf diese Technologie setzt und sich anschickt, weitere Reaktoren sowie Mini-Kernkraftwerke zu bauen, wirkt die Ablehnung von Atomkraft auf die meisten politischen Parteien und die Mehrheit der Bevölkerung allerdings irrational.

Die tschechischen Grünen wollen, wie sie in ihrem Programm schreiben, kleinere, lokale Kraftwerke aus erneuerbaren Energien und eine öffentliche Debatte über Atommüllendlager, bei denen die betroffenen Anwohner ein Mitspracherecht haben. In Polen gibt es kein Atomkraftwerk – allerdings werden an der Ostsee bereits Bäume gerodet für künftige Reaktoren. Die polnischen Grünen drücken sich vorsichtig aus, bezeichnen sich als Skeptiker und weisen in ihrem Manifest darauf hin, dass Windparks und Photovoltaikanlagen nach allen aktuellen Erkenntnissen schneller und billiger errichtet werden können und günstigeren Strom erzeugen.

Abgesehen von der Atomkraft haben beide Parteien Vorhaben und Werte in ihren Programmen stehen, die sich so ähnlich auch bei anderen finden. Anders gesagt: Die Abwesenheit oder geringe Präsenz der Grünen-Parteien bedeutet nicht, dass keine Umweltschutzpolitik betrieben wird.

Bessere Luft und lokale Lebensmittel statt Klimaschutz

Dabei zeigen Wahlergebnisse in beiden Ländern: Grüne Politik wird oft eher akzeptiert, wenn sie in konservativem, gar christlichem Gewand daherkommt und nicht den Klimaschutz zum Hauptziel ausruft, sondern etwa die Unterstützung bäuerlicher Familienbetriebe. Oder wenn sie einfach für lokale Lebensmittel und bessere Luft wirbt.

Die polnische Umweltministerin Paulina Hennig-Kloska etwa gehört dem Vorstand von Polska 2050 an, einer vom früheren TV-Moderator Szymon Hołownia gegründeten und auf ihn zugeschnittenen Partei. Der 48-jährige Hołownia versucht sich an dem Kunststück, gleichzeitig cool und katholisch zu sein, seine Partei ist christlich-konservativ, aber auch grün. Zu ihren Wahlversprechen gehört, 20 Prozent der polnischen Wälder mit einem völligen Abholzungsverbot zu belegen und vor allem in Biogasanlagen, Windkraft und Photovoltaik zu investieren.

Ebenfalls auf Tusks Liste der Bürgerkoalition zog die Bauernbewegung Agrounia in den Sejm ein. Die aktivistische Gruppierung trat in der Vergangenheit oft lautstark bis aggressiv für die Interessen kleiner Bauernhöfe ein. Sie schlug dabei politisch mal nach rechts, mal nach links aus, setzte sich aber immer wieder etwa für den Schutz der Gewässer und Wälder ein.

Piraten im Kampf für die Umwelt

In Tschechien traten nach der Wahl 2021 vor allem vier Abgeordneten der linksliberalen Piratenpartei in der Regierung für Klimaschutz ein. Nach einer Wahlniederlage bei Regionalwahlen und einem Streit mit Premier Petr Fiala verließen die Piraten allerdings am Dienstag die Fünferkoalition in Prag. Fialas Regierung behält auch ohne die Piraten eine Mehrheit.

Kernkompetenz der Piraten sind Digitalisierung und der Kampf gegen Korruption, sie setzen sich für Wohnungsbau und soziale Absicherung ein. Doch auch die Forderung, bis 2033 aus der Kohleverstromung auszusteigen, gehörte 2021 zu ihrem Wahlkampf.

Umweltschutzziele vor allem in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum verfolgen in Tschechien auch die Christdemokraten von der Partei KDU-ČSL, die sich ebenfalls für den Schutz der Wälder aussprechen. Auch diese gesellschaftspolitisch konservative Partei gehört der Regierung Petr Fialas an.

Auffällig ist, dass in anderen Parteien als den Grünen der Umweltschutz oft kleinteilig daherkommt, das Wort Klimaschutz gar nicht oder nicht oft fällt. Was fehlt, ist der große Plan. Andererseits sollte Umweltschutz ja vor der Haustür beginnen.

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