Grüne: Parteitag in Freiburg:Die erfolgreichsten Langweiler der Republik

Je erwachsener die Grünen werden, desto erfolgreicher sind sie. In Freiburg tun sie alles, um noch berechenbarer und verlässlicher zu werden. Wer will es ihnen verdenken?

Thorsten Denkler, Freiburg

So ganz unbeeindruckt scheinen die Grünen von den Umfragewerten doch nicht zu sein. Mehr als 20 Prozent, das klingt zu gut, als dass irgendjemand davon wieder runter will. Geschlossenheit war schon immer wichtig - für alle Parteien. Die Grünen merken jetzt, wie weit sie damit kommen können und lassen die Parteiführung spüren, dass sie verstanden haben. Nie waren sie mehr Realo als auf diesem Parteitag.

Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen

Grünes Führungspersonal auf der Bundesdelegiertenkonferenz  (v.l.): Astrid Rothe-Beinlich, Steffi Lemke (Politische Geschäftsführung) , Cem Özdemir (Bundesvorsitzender), Malte Spitz, Dietmar Strehl (Bundesschatzmeister) und Claudia Roth (Bundesvorsitzende)

(Foto: dpa)

Es zieht sich durch fast alle Wahlgänge: Die Partei-Linke Claudia Roth bekommt weniger Stimmen als vor zwei Jahren in Erfurt. Ihr Ko-Vorsitzender und Realo Cem Özdemir nicht nur mehr Stimmen als 2008 sondern gleich viel mehr als Claudia Roth. Auch das war in Erfurt anders.

Oder in der Kampfkandidatur um einen Sitz im Parteivorstand zwischen dem Realo Malte Spitz und dem Linken Stephan Schilling. Spitz setzt sich deutlich durch. Realo-Frau Renate Künast bekommt mit 87,2 Prozent das beste Ergebnis unter den Frauen im Parteirat.

Nein, das ist kein Rechtsruck der Grünen, der da zu beobachten ist. Aber ein deutliches Zeichen in Richtung mehr Seriosität. Die Delegierten wissen: Gute Umfragewerte lassen sich nur in Wahlergebnisse ummünzen, wenn die Partei glaubwürdig bleibt. Was passiert, wenn es anders läuft, das lässt sich sehr gut an der FDP und zum Teil auch an der Linken beobachten.

Cem Özdemir hat die Partei in seiner Rede gut darauf vorbereitet. Keine Wunschträume mehr sondern nachrechenbare und umsetzbare Programmatik. Zumutungen, das sei es, was die Grünen ihren Wählern ab sofort zu bieten hätten.

Nur nicht sich selbst zu wichtig nehmen

Es war fast so etwas wie ein Blut, Schweiß und Tränen-Rede, die Özdemir da gehalten hat. Und offenbar hat er die Stimmung der Partei damit besser getroffen als die manchmal etwas schrille Claudia Roth.

Machen die Grünen nicht zu viel falsch, könnte das Jahr 2011 tatsächlich das erfolgreichste in der Parteigeschichte werden. Dann würden sie sich im kommenden Jahr in Kiel zum nächsten Parteitag treffen und Winfried Kretschmann als Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Renate Künast als Regierende Bürgermeisterin von Berlin feiern.

Angst davor haben muss niemand. Die Grünen sind nach den vielen Häutungen der vergangen zwölf Jahre, seit sie im Bund erstmals Regierungsverantwortung übernommen haben, auch in Freiburg wieder ein Stück erwachsener geworden. Natürlich auch langweiliger, berechenbarer.

Andere würden sagen: verlässlicher.

Aber genau das scheinen viele Wähler zu suchen - und bei den Grünen zu finden. Wer will es ihnen, wer will es den Grünen verdenken angesichts der katastrophalen Arbeit, mit der die schwarz-gelbe Bundesregierung Millionen von Sympathisanten vergrätzt hat.

Der Hesse Tarek Al-Wazir sagte in seiner Rede zur Kandidatur für den Parteirat, wenn die Grünen erfolgreich bleiben wollen, dann dürfen sich selbst nicht zu wichtig nehmen. Wenn ihnen das gelingt, dann ist das auf jeden Fall schon mal ein wohltuendes Alleinstellungsmerkmal der Grünen im Parteienspektrum.

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