Grüne nach der Urwahl:Göring-Eckardt will Roth halten

Claudia Roth hat bei der Urwahl der Grünen zur Spitzenkandidatur im Bundestagswahlkampf so schlecht abgeschnitten, dass nun einige bezweifeln, dass sie Parteichefin bleiben kann. Sie selbst hat sich dazu bisher nicht geäußert. Die designierten Spitzenkandidaten signalisieren Unterstützung.

Claudia Roth gerät unter Druck: Wegen ihrer überraschend deutlichen Niederlage bei der Urwahl zu den Spitzenkandiaten für die Bundestagswahl 2013 stellt sich die Frage, ob sie als Parteichefin weiter machen kann. Roth hat eine Erklärung für Montag früh angekündigt. Vermutlich wird sie sich dann dazu äußern, ob sie auf dem Parteitag am kommenden Samstag in Hannover hinwirft oder sich erneut als Grünen-Vorsitzende bewerben will.

Am Sonntag wurde Roth von Führungspersonen der Partei gebeten, als Vorsitzende weiterzumachen, auch von der designierten Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt bekam sie offene Unterstützung: "Ich wünsche mir, dass Claudia Roth ein gutes Ergebnis beim Parteitag bekommt", sagte sie der Bild am Sonntag. "Es gibt keine Verliererinnen und keine Verlierer", betonte Göring-Eckardt beim ersten gemeinsamen Auftritt mit Trittin nach Bekanntgabe des Urwahl-Ergebnisses.

Die Frage, ob sie jetzt auch für den grünen Vorsitz kandidieren will, verneinte Göring-Eckardt in der ARD. Roth gratulierte den beiden Gewinnern zunächst nur im sozialen Netzwerk Facebook: "Das ist Demokratie!" Die ebenfalls unterlegene Künast sicherte dem Duo zu, sie werde ihre Kraft für den Wahlerfolg einsetzen.

Die Unterlegenen Künast und Roth bekamen auch Rückendeckung aus der Partei. Alle vier Beteiligten spielten bei einem Wahlsieg eine tragende Rolle in der Regierung, also auch Roth und Künast, sagte der Abgeordnete Omid Nouripour. Bayerns Grünen-Chef Dieter Janecek sagte Tagesspiegel Online, "dass wir bayerische Grüne ganz klar hinter Claudia Roth stehen". Hessens Landeschef Tarek Al-Wazir forderte ein Ende der Personaldebatten. Zahlreiche Grüne aus den Ländern begrüßten das Wahlergebnis. Tübingens Grünen-OB Boris Palmer sagte Tagesspiegel Online: "Ich sehe mit dem Duo hervorragende Aussichten bei der Bundestagswahl."

Der Parteilinke Trittin erreichte in der Urwahl 71,9 Prozent der Stimmen, die Realo-Vertreterin Göring-Eckardt 47,3 Prozent, Renate Künast 38,6 und Roth nur 26,2 Prozent. Göring-Eckardt waren vor dem Mitgliederentscheid - dem ersten dieser Art in einer Partei - nur Außenseiterchancen eingeräumt worden. Rund 62 Prozent der knapp 60.000 Mitglieder hatten sich beteiligt. 35.065 Stimmzettel waren gültig. Beworben hatten sich 15 Kandidaten. Die elf zuvor unbekannten Grünen-Mitglieder erhielten zwischen 0,3 und 2,4 Prozent.

Mit der Doppelspitze aus Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin wollen die Grünen die schwarz-gelbe Regierung ablösen. Die beiden Sieger der Urwahl riefen ihre Partei am Wochenende zur Geschlossenheit im Kampf für Rot-Grün auf und kündigten ein verstärktes Bemühen um die bürgerliche Mitte an.

Debatte um Schwarz-Grün

Zugleich flammte die Debatte um eine mögliche schwarz-grüne Koalition auf. Göring-Eckardt und Trittin schlossen ein Bündnis mit der Union 2013 nicht aus, machten aber deutlich, dass sie dieses derzeit ablehnen. "Ich sehe bei der Merkel-CDU keine genügende Übereinstimmung", sagte Göring-Eckardt der Bild am Sonntag. Trittin sagte, die Grünen sprächen mit allen, aber zu einer Regierung mit Union und FDP werde es wohl nicht kommen.

Beide betonten, sie kämpften für Rot-Grün. Göring-Eckardt sagte jedoch auch: "Wir wollen die bürgerliche Mitte, wenn man sie so nennen will, niemand anderem überlassen", sagte Göring-Eckardt in der ARD. Ähnlich äußerte sich Trittin. Ihre Spitzenkandidatur könne im Übrigen das grüne Wahlergebnis in Ostdeutschland verbessern, sagte die Thüringerin. Trittin sagte Bild am Sonntag: "Wir trauen uns zu, kräftig zuzulegen."

Zu SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück äußerte er sich zurückhaltend: "Wer Kanzlerkandidat wird, ist eine Entscheidung, die die SPD bei ihrem Parteitag im Dezember zu treffen hat." Weiter sagte Trittin: "Wir wollen einen grünen Wandel." Als Kernprojekte nannte er ökologischen Umbau, Energiewende und die Regulierung der Finanzmärkte. Göring-Eckardt hob auf Gerechtigkeit und stärkeren Zusammenhalt für eine bessere Gesellschaft ab.

Die SPD zeigte sich gewiss über gestiegene Siegchancen für Rot-Grün. "Damit sind wir der Ablösung von Schwarz-Gelb einen großen Schritt näher gekommen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann. SPD-Chef Sigmar Gabriel gratulierte in Mainz ausdrücklich.

Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke empfahl die Urwahl zur Nachahmung. Hinterzimmerpolitik habe es fortan schwierig. Der Sieg Trittins und Göring-Eckardts bringe "eine weise Balance zwischen Kontinuität und Erneuerung". Göring-Eckardt kündigte an, ihr Amt als Präses der Synode der Evangelischen Kirche bis zum Ende des Wahlkampfes ruhen zu lassen. Forderungen von FDP und Linken, das Amt als Parlamentsvizepräsidentin niederzulegen, wies sie zurück.

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