Grüne lehnen Regierungspläne ab:Saarland blockiert Hartz-IV-Reform

"Wir sagen als Grüne nein" - die saarländische Jamaika-Koalition wird sich bei der Abstimmung zur Hartz-IV-Reform im Bundesrat enthalten. Der Regierung fehlen so drei entscheidende Stimmen, um die Bezüge bis Ende 2010 neu zu regeln. Fünf Millionen Bedürftigte bekommen zunächst keine Erhöhung.

T. Öchsner und M. Widmann

Das Saarland wird die Hartz-IV-Reform im Bundesrat blockieren. Bei der Abstimmung am Freitag muss die von CDU-Ministerpräsident Peter Müller geführte Jamaika-Koalition sich der Stimme enthalten. Der saarländische Grünen-Chef Hubert Ulrich sagte der Süddeutschen Zeitung, seine Partei lehne das Regelwerk ab. Damit kann die Reform nicht wie geplant am 1. Januar in Kraft treten; fast fünf Millionen Hartz-IV-Bezieher müssen deshalb auf eine Anhebung ihrer Bezüge warten.

Hartz-IV-Neuregelung vor der Zielgeraden

Hartz IV bleibt eine Baustelle: Weil die Grünen die Reform nicht mittragen wollen, wird das Saarland sich im Bundesrat enthalten - und die Reform in den Vermittlungsausschuss schicken.

(Foto: dpa)

Das Kabinett im Saarland legt an diesem Dienstag seine Linie für die Sitzung der Länderkammer am Freitag fest. Landes-Grünen-Chef Ulrich bestätigte am Montag der SZ: "Es wird bei der Enthaltung des Saarlands bleiben. Wir sagen als Grüne nein." Da die Stimmen eines Landes einheitlich abgegeben werden müssen, kann die von Union, FDP und Grünen getragene Regierung im Bundesrat nicht zustimmen. Auch aus der CDU hieß es, man gehe stark von einer Enthaltung aus.

Das Saarland ist das Zünglein an der Waage, ohne dessen drei Stimmen das schwarz-gelbe Regierungslager für sein Hartz-IV-Gesetzespaket im Bundesrat keine Mehrheit hat. Dies werde nicht auf Druck der Bundespartei geschehen, die die Entscheidung nicht herbeigeführt habe. "Sie wissen ja, wie das im Saarland ist: Wir sind sehr souverän", sagte er.

Weitreichende Konsequenzen

Für die etwa 4,5 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfänger hat dies weitreichende Konsequenzen. Das Gesetz der Bundesregierung sieht vor, die staatliche Leistung für Langzeitarbeitslose von 359 auf 364 Euro im Monat zu erhöhen. "Gibt es im Bundesrat dafür keine Mehrheit, müssen wir die in unserer Software bereits programmierte Erhöhung wieder stoppen", sagte eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit (BA). Erst wenn eine gesetzliche Grundlage vorliege, "können wir die Erhöhungen nachzahlen", kündigte die BA-Sprecherin an.

"Gründlichkeit vor Schnelligkeit"

Offen ist noch, ob das Bildungspaket für Kinder von Hartz-IV-Familien und Geringverdienern zumindest in Teilen dennoch vom 1. Januar 2011 an greifen kann, wenn die Hartz-IV-Reform noch nicht in Kraft getreten ist. Die Bundesarbeitsministerin lässt dies derzeit juristisch prüfen. Nach Angaben der BA steht aber schon jetzt fest, dass rückwirkende Nachzahlungen hier nicht möglich sind. "Wir können kein Mittagessen, das es bereits gegeben hat, nachträglich bezuschussen", sagte die Sprecherin der Behörde.

Vermittlungsausschuss muss nach Lösungen suchen

Das Bildungspaket ist Teil der Hartz-IV-Reform. Dabei soll es Zuschüsse zum Mittagessen in der Schule und Geld für Nachhilfe, einen Vereinsbeitrag oder etwa für zusätzlichen Instrumenten-Unterricht geben.

Nach einem Nein der Länderkammer muss der Vermittlungsausschuss aus Bundesrat und Bundestag einen Kompromiss suchen. Die Bundesregierung will bereits am Mittwoch einen sogenannten Vorratsbeschluss fassen, um den Ausschuss möglichst schnell anrufen zu können. Frühester Termin für eine Sitzung wäre der 23. Dezember.

Aber selbst wenn man sich dort einigen würde, könnte die BA ihre EDV-Systeme nicht mehr rechtzeitig umprogrammieren. "Das käme für uns zu spät", sagte die Sprecherin. Im Vermittlungsausschuss dürfte es zu schwierigen Gesprächen kommen. Die SPD fordert mehr Geld für Ganztagsschulen, für Erzieher und Sozialarbeiter an den Schulen. Außerdem hat sie methodische Zweifel an der Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil sagte: "Bei den Verhandlungen geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit." Er warnte davor, in Nachtsitzungen unausgereifte Lösungen zu finden, die dann wieder vor dem Bundesverfassungsgericht landen. Das Gericht hatte verlangt, bis Ende 2010 die Hartz-IV-Leistungen neu zu berechnen.

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