In den Klimaplänen der Grünen hat die Industrie ihren festen Platz. Jedenfalls die Unternehmen, die "in den Startlöchern" stehen, wie das Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am Dienstag formuliert hat. Da stellte sie mit ihrem Co-Chef Robert Habeck im Brandenburgischen jenes 100-Tage-Sofortprogramm vor, mit dem die Partei auch den Umbau der Industrie im Falle einer Regierungsbeteiligung vorantreiben will. "Wir haben die Orte der Veränderung immer wieder besucht", sagte Baerbock bei einem Ortstermin im Naturpark. "Was da zu hören ist: Wir haben die Technologien, wir können klimaneutralen Stahl, wir können klimaneutralen Zement herstellen. Aber wir brauchen die politischen Rahmenbedingungen."
Doch was am Tag darauf zu hören ist, klingt ganz anders: Der vermeintliche Verbündete hält nichts von den Plänen. Überraschend deutlich lehnt der Industrieverband BDI die Ideen ab. "Aktionistisch" sei das 100-Tage-Programm, übergriffig und teuer. "Eine Beruhigungspille für die grüne Stammwählerschaft ist für die deutsche Industrie zu wenig, um den Wandel zum klimaneutralen Wirtschaftsstandort zu meistern", sagt Holger Lösch, der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer. "Die Grünen muten der Wirtschaft mit den vorgelegten Maßnahmen viel zu, liefern aber nur wenig Unterstützung."
Das Vetorecht gegen klimaunfreundliche Gesetze ist der Industrielobby suspekt
Am Vortag hatten Baerbock und ihr Co-Parteichef Robert Habeck viel Zeit darauf verwandt, die Chancen für die Wirtschaft herauszustreichen. Milliardenschwere Investitionsprogramme sollten nicht nur den Umbau ankurbeln, sondern auch die Konjunktur - und das Land so nicht nur klimaneutral, sondern auch wirtschaftlich stark machen. Verträge mit der Industrie sollten Unternehmen Mehrkosten erstatten, die ihnen durch den Einsatz klimafreundlicher Technologien entstehen.
Doch die Industrie sieht in all dem noch mehr staatliche Lenkung. "Die Politik sollte stärker auf die Kräfte des Marktes setzen", sagt Lösch. Auch das Klimaschutzministerium, das nach Vorstellung der Grünen ein Vetorecht gegen klimaunfreundliche Gesetze erhalten soll, ist der Industrielobby suspekt. "Damit steuert Deutschland in die Klima-Planwirtschaft, anstelle notwendige Innovationen und Investitionen anzureizen", sagt Lösch.
So vertiefen sich die Gräben, die die Grünen eigentlich zuschütten wollten. Ganz ähnlich hatte sich zuvor, weniger überraschend, auch der Wirtschaftsrat der CDU geäußert: Mit "Sprunghaftigkeit und unrealistischen Verschärfungen" gefährde das Sofortprogramm den Industriestandort Deutschland, kritisierte Generalsekretär Wolfgang Steiger.