Süddeutsche Zeitung

Grüne:Klima-Milliardäre im Geiste

Lesezeit: 2 min

Der Topf der Träume ist prall gefüllt - nur macht Geld allein das Land nicht CO₂-neutral.

Von Michael Bauchmüller

So ein Sechser im Lotto - das wäre was! Was sich mit so einer Million allein machen ließe: Hm, 100 000 Euro für jedes der Kinder, klar. Ein Häuschen im Grünen, mit Sauna und Solardach. Eine Weltreise. So mancher Lottospieler verteilt so die Penunzen, noch ehe sie gewonnen sind - und ahnt nicht, wie schwer es ist, Geld klug auszugeben. Wenn man es erst mal hat.

Die Grünen haben es zwar nicht, dafür aber schon einen Plan fürs Verteilen. Der Topf ihrer Träume ist mit 100 Milliarden Euro prall gefüllt, er soll Deutschland klimafreundlicher machen. 28 Milliarden gehen allein an die Bahn, verteilt auf vier Jahre zu je sieben Milliarden. Vier Milliarden wollen sie für Radwege losschlagen, knapp drei Milliarden Euro für "Mobilitätsangebote für den ländlichen Raum". Mehr Geld für Elektrobusse wäre schön und für eine nachhaltige Landwirtschaft und sieben Milliarden im Kampf gegen verschwenderische Gebäude. Das Land könnte so schön sein, wenn man nur ordentlich in die Kasse greift. Aber so einfach ist das nicht.

Um so viel Geld unter die Leute zu bringen, braucht es Baupläne, Baugenehmigungen, Baufirmen. Nicht einmal die Bahn könnte auf die Schnelle jährlich sieben Milliarden Euro verbauen (obwohl sie es durchaus nötig hätte). Auch Radwege wollen erst mal geplant werden, und das von Verwaltungen, die sich jahrzehntelang vor allem auf den Auf- und Ausbau von Straßen verstanden. Die ohnehin überhitzte Baukonjunktur wird so obendrein noch weiter angeheizt, während der Staat neue Schulden macht.

Doch derlei Krämergedanken fechten die Grünen nicht an, sie fordern kurzerhand eine "Personaloffensive für den Klimaschutz" und verweisen auf niedrige Zinsen; der Wirtschaft blühe so eine ganz neue Dynamik. Es ist das Privileg der Opposition, mit den Milliarden freihändiger umgehen zu können als der Finanzminister. Von denen, die im Geiste die Lottomillion verteilten, haben sie schließlich auch die allerwenigsten jemals gewonnen.

Im Prinzip aber, und jenseits der über den groben Daumen verteilten Milliarden, haben die Grünen recht. Wer das Land klimafreundlich gestalten will, muss klotzen statt kleckern, das aber planvoll. Der muss endlich beginnen, jede öffentliche Investition vom Ende her zu denken: Wenn Deutschland tatsächlich bis 2050 klimaneutral werden soll, in welche Infrastrukturen sollte dann künftig noch Geld fließen? Wie zukunftsfähig ist dann eine industrielle Landwirtschaft? Wie kann das mit dem gegenwärtigen Gebäudebestand funktionieren? Wie müssen Städte aussehen, wie funktioniert Mobilität auch auf dem Land? Man landet dann schnell bei jenen Feldern, über die nun die Grünen ihre Milliarden verteilen wollen. Selbst die zusätzliche Verschuldung ließe sich gut begründen, schließlich dienten die Milliarden künftigen Generationen.

Nur macht Geld allein nicht glücklich, das hat mancher auch durch einen Sechser im Lotto gelernt. Es löst auch in der Politik nicht alle Probleme. Weder wird noch so viel Geld das Land klimaneutral machen; dafür braucht es auch die weit unangenehmeren Verbote und Vorgaben. Noch lässt sich leugnen, dass konsequente Klimapolitik auch Verlierer schafft - die sich zu wehren wissen. Im Klima-Lotto der Grünen spielt all das erst mal keine Rolle. Die Probleme heben sie sich für die Regierungszeit auf.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4691077
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.