Süddeutsche Zeitung

Bündnis90/Die Grünen:Kretschmann rudert bei Aussagen zur Grünen-Kanzlerkandidatur zurück

  • In einem Interview antwortete Baden-Würtembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf die Frage nach einem möglichen grünen Kanzlerkandidaten.
  • Robert Habeck käme dafür eindeutig in Frage, so Kretschmann. Parteichefin Annalena Baerbock hingegen erwähnte Kretschmann mit keiner Silbe.
  • Jetzt bereut er seine Antwort offenbar. Keinesfalls habe er einer Entscheidung der Partei vorgreifen wollen

Von Constanze von Bullion, Berlin

In der Debatte um eine grüne Kanzlerkandidatur hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sich korrigiert. Am Donnerstag hatte er bei einer Veranstaltung in Stuttgart gesagt, Parteichef Robert Habeck sei geeignet als Kanzlerkandidat der Grünen. Die gleichgestellte Parteichefin Annalena Baerbock hatte er nicht erwähnt. Nun rudert Kretschmann zurück. "Die Grünen können sich freuen, dass sie zwei Bundesvorsitzende haben, die beide kanzlerkandidatenfähig sind", sagte er der Süddeutschen Zeitung.

Kretschmann war am Donnerstagabend im Stuttgarter Schauspielhaus vom Entertainer Harald Schmidt interviewt worden. Irgendwann fragte Schmidt, wer von den Grünen für eine Kanzlerkandidatur infrage komme. Kretschmann antwortete, ohne lange zu zögern: "Habeck." Der Parteivorsitzende sei ein guter "Kommunikator". Parteichefin Annalena Baerbock hingegen erwähnte Kretschmann mit keiner Silbe. Der Auftritt, über den zuerst der Stern berichtete, kam auch bei grünen Habeck-Fans nicht gut an. Zum einen sind Frauen und Männer in grünen Doppelspitzen laut Parteisatzung strikt gleichberechtigt, ja mehr noch: Frauen haben der Aufstellung von Redner- oder Kandidatenlisten in der Regel den Vortritt. Zum anderen ist noch gar nicht beschlossen, ob es überhaupt eine grüne Kanzlerkandidatur geben soll. In Kretschmanns Umfeld zeigte man sich zerknirscht. Denn die Bemerkung dürfte Habeck eher schaden als nützen und Widerstände - etwa grüner Frauen - gegen seine Kandidatur wecken.

Habeck und Baerbock wollen den Vorgang nicht kommentieren

Auch Kretschmann selbst hat seine Antwort offenbar bereut. "Die Entscheidung, ob die Grünen eine Kanzlerkandidatin oder einen Kanzlerkandidaten aufstellen, steht zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht an. Demnach auch nicht die Frage, wer das im Zweifel machen soll. Und schon gar nicht bin ich derjenige, der darüber entscheidet", sagte er der SZ. Seine Äußerung sei "in einem lockeren Gespräch" mit Harald Schmidt gefallen. "Sie war natürlich Ausdruck meiner Wertschätzung Robert Habeck gegenüber." Kretschmann kenne Habeck seit vielen Jahren und aus dessen Zeit als Minister in Schleswig-Holstein. "Das bedeutet aber keineswegs, dass ich Annalena Baerbock in der ersten Zeit als Bundesvorsitzende weniger schätzen gelernt habe." Keinesfalls habe er einer Entscheidung der Partei vorgreifen wollen: "Wir haben zwei herausragende Bundesvorsitzenden, die die Grünen im Bund zu einer relevanten Kraft gemacht haben. Das kann man nicht oft genug loben und herausstellen."

Weder Baerbock noch Habeck wollten Kretschmanns Vorstoß am Freitag kommentieren. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner ließ Verärgerung über die vorschnelle Bemerkung erkennen. "Das ist gerade nicht unsere Debatte. Wir werden alle relevanten Fragen rechtzeitig vor Bundestagswahl gemeinsam mit der Partei beantworten, und zwar dann, wenn sie konkret anstehen", sagte er.

Die Grünen wollen Streit um die Kanzlerkandidatur unbedingt vermeiden. Im Bundesvorstand hoffen einige, dass Baerbock und Habeck sich im Ernstfall zunächst untereinander einigen, bevor die Personalie einem Parteitag vorgeschlagen wird. Andere halten eine Kanzlerkandidatur nur dann für sinnvoll, wenn die Partei auch vor der nächsten Bundestagswahl in Umfragen noch auf Platz zwei liegt. Dann könne sie die CDU direkt angreifen. In zwei Wochen stellen Baerbock und Habeck sich erneut zur Wahl, als Parteivorsitzende. Mit Zustimmung wird gerechnet.

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