Grüne Jugend:Durchs Gebüsch für eine bessere Welt

Die Junggrünen geben sich radikaler als die Gesamtpartei. Mit "Latzhosenträgern und Esoterikern" der früheren Generation aber hätten sie nichts mehr zu tun.

D. Brössler

Che Guevara steht kopf. Das großflächige Portrait des kubanischen Revolutionärs hängt verkehrt herum an der Wand in der Geschäftsstelle der Grünen Jugend in Berlin. "Ein Geschenk der Jusos zu unserem zehnjährigen Bestehen", erläutert Jan Philipp Albrecht, 25 Jahre alt, Jura-Student und einer von zwei Bundesvorstandssprechern, wie die Vorsitzenden bei der Grünen Jugend heißen.

Grüne Jugend: Die Junggrünen geben sich radikaler als die Gesamtpartei: Mit "Latzhosenträgern und Esoterikern" früherer Generationen habe das nichts zu tun, sagen sie.

Die Junggrünen geben sich radikaler als die Gesamtpartei: Mit "Latzhosenträgern und Esoterikern" früherer Generationen habe das nichts zu tun, sagen sie.

(Foto: Foto: dpa)

Den umgedrehten Che präsentiert Albrecht gerne, weil er zeigt, wie die Junggrünen sich sehen, wie sie gesehen werden möchten. Links seien sie schon, sagt Albrecht, "aber wir stellen uns nicht hin und sagen: Ich bin Kommunist und will die Weltrevolution". Für eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, für den Atomausstieg, aber auch "sich nachhaltig ernähren und für ökologische Landwirtschaft sein" - das alles sei für junge Grüne links.

Unter den Jugendorganisationen der Parteien ist die erst 1994 gegründete Grüne Jugend eine besonders junge. Lange sahen die Altvorderen nicht recht ein, wozu die Partei eine Jugendorganisation braucht, man fühlte sich selber noch jung.

Das erschwerte die Aufgabe der wirklich Jungen beträchtlich; sie konnten nicht viel richtig machen: Traten sie radikal auf, wurden sie als müde Nachahmer der Gründer verlacht. Gaben sie sich seriös, war das Amüsement groß über den braven Nachwuchs der Revoluzzer. Weil sie 1998 uniform in T-Shirts mit einem grünen Ü zu einer Parteifeier erschienen, verglich der Autor Christian Schmidt die Junggrünen mit "gescheitelten Kindern, die im Verwandtenkreis Gedichte aufsagen".

Zehn Jahre danach steht Kathrin Henneberger, die andere Bundesvorstandssprecherin, an der S-Bahn-Haltestelle Neuwiedenthal in Hamburg. Es haben sich ein paar hundert Demonstranten und noch mehr Polizisten versammelt. Vom knallroten Lautsprecherwagen der linken Solid-Jugend plärrt ein Liedermacher vom Band: "Ich will den Kapitalismus lieben, aber ich schaffe es nicht."

Gemeinsam mit der Linken

Sie habe kein Problem damit, gemeinsam mit den Linken zu demonstrieren, sagt Kathrin Henneberger. Die 21-jährige Geographiestudentin trägt ein lila-weißes Kleid und ockergelbe Stoffhosen. Die Grüne Jugend will an einer genehmigten Demonstration gegen den Bau des Kohlekraftwerkes Moorburg teilnehmen - und danach an einer keineswegs erlaubten Besetzung der Baustelle.

Kathrin Henneberger hat ein weißes Megaphon mitgebracht, um ihr aus einem guten Dutzend Junggrüner bestehendes Trüppchen zu dirigieren. Sie weiß, dass die Aktion den mit der CDU regierenden Hamburger Grünen sehr unangenehm ist. "Die Besetzung des Kraftwerkgeländes Moorburg lehne ich ab", hat die Landesvorsitzende Katharina Fegebank in der Lokalpresse gesagt. "Für den Klimaschutz sind zivile Aktionen gewaltlosen Widerstandes nötig", entgegnet Henneberger.

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Durchs Gebüsch für eine bessere Welt

Der Grüne Jugend will bewusst radikaler auftreten als die Partei. Gegen den Klimawandel reiche es nicht, "hier und da ein bisschen Anreize zu geben", meint Jan Philipp Albrecht. Die Junggrünen fordern das Verbot innerdeutscher Flüge und spritschluckender SUV-Geländewagen. Auch am Atomausstieg wollen sie unter keinen Umständen rütteln lassen; "mit Entsetzen" reagierte die Grüne Jugend, als der frühere hessische Grünen-Chef Hubert Kleinert über längere Restlaufzeiten für Atomkraftwerke sinnierte.

Eingetreten, als viele ausgetereten sind

Jan Philipp Albrecht ist in Wolfenbüttel unweit des Endlagers Asse aufgewachsen und "über die Atomfrage politisiert" worden, wie er sagt. Als 16-Jähriger stieß er 1999 zu den Grünen, also kurz nach Beginn der rot-grünen Regierungszeit und der Auseinandersetzung um den Kosovo-Krieg.

"In einer Phase, in der viele ausgetreten sind, bin ich eingetreten", erinnert er sich. Einverständnis mit dem grünen Außenminister Joschka Fischer wollte er damit nicht ausdrücken, sondern "diejenigen unterstützen, die eine stärkere Friedensposition vertraten".

Just in jenem Jahr kursierte ein Diskussionspapier mit dem Titel "Junge Partei mit Jugendproblemen". Die Grünen führten "immer noch Diskussionen der achtziger Jahre, die an der Lebenswelt junger Menschen vorbeigehen", monierten die Autoren, unter ihnen Alexander Bonde, heute haushaltspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag.

"Wir möchten den Dialog darüber anregen, ob im Vorurteil der Fortschrittsfeindlichkeit nicht ein Funken Wahrheit liegt", lautete die Mahnung. Die Autoren - man ahnt es - fühlten sich dem Realo-Flügel verbunden. Innerhalb der Grünen Jugend war das zwar eine Minderheit, damals aber eine durchaus präsente.

Nach links orientiert

Das hat sich geändert. Albrecht würde zwar "nicht sagen, dass wir der verlängerte Arm der Parteilinken sind"; viele junge Grüne wollten sich nicht mehr einem Lager zurechnen lassen. Dass sich die Grüne Jugend dennoch nach links orientiere, räumt er aber ein.

Das deckt sich mit der Wahrnehmung in der Partei - vor allem bei den Realos. Die Junggrünen seien Leute, die Lust hätten "in der Turnhalle zu campen und vegan zu kochen", spottet einer von ihnen. Mit derlei Hohn kann Albrecht wenig anfangen. "Heute gibt es viele junge Leute, die einen ökologischen Lebensstil verfolgen wollen in ihrem Alltag", sagt er. Und: "Die Jugend will zurück zu den Grundsätzen." Mit "Latzhosenträgern und Esoterikern" früherer Generationen habe das nichts zu tun.

Glaubt man Albrecht, so finden die älter werdende Partei und die Jugendorganisation langsam zusammen. "Die Grünen haben verstanden, dass es blöd war, die Jungen außen vor zu lassen, weil die Partei in der Regierungszeit einen pragmatischen Kurs fahren musste", sagt er.

In der Tat lobt Fraktionschef Fritz Kuhn die Grüne Jugend pflichtschuldig als "inzwischen eine wichtige Organisation. Alle bei uns wissen, dass gute Leute inzwischen sehr oft über die Grüne Jugend kommen." Das Paradebeispiel dafür ist die Hessin Anna Lührmann, die 2002 mit 19 Jahren zur jüngsten Bundestagabgeordneten gewählt worden war, sich inzwischen als Haushaltspolitikerin Respekt erworben hat, 2009 allerdings nicht mehr kandidiert.

Im Grünen-Vorstand wiederum sitzt der 24-jährige Malte Spitz, der drei Jahre lang politischer Geschäftsführer der Grünen Jugend war. Anders als in anderen Parteien genießen die Chefs der Grünen Jugend aber kein Stimmrecht in Vorstand und Parteirat.

Anerkennung erwarben sich die Jungen jüngst mit einem Papier zur Außenpolitik der rot-grünen Jahre. "Die Grüne Jugend hat etwas vorgelegt, worauf wir stolz sein können", sagt Winfried Nachtwei, der sicherheitspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion.

Den häufig zu hörenden Vorwurf, sie seien einflusslos, halten die Junggrünen für entkräftet. Der Wandel von einer "Jeder-bringt-sich-irgendwie-ein-Organisation zu einer professionell organisierten Jugendorganisation" sei vollbracht, sagt Albrecht. Zur Zeit gibt es 6.937 Mitglieder, die die Grüne Jugend mit 28 verlassen müssen. Bei Jusos und anderen Jugendorganisationen liegt die Altersgrenze erst bei 35.

Spontane Aktionen vor Ort

Die Grüne Jugend aber legt Wert auf echte Jugend, auch wenn das gelegentlich auf Kosten der Professionalität geht. Wichtiger sind den Mitgliedern spontane Aktionen vor Ort .

"Küchenspaß links!", schallt es vom Lautsprecherwagen her. Der von einem großen Aufgebot an Polizei begleitete Demonstrationszug hat das Baugelände in Moorburg mittlerweile fast erreicht. Die kryptische Durchsage ist das vereinbarte Signal. Mehr als hundert Demonstranten, unter ihnen ein gutes Dutzend Junggrüner, schlagen sich in die Büsche, rennen über Wiesen auf das Baugelände zu. Kathrin Henneberger schafft es nicht bis auf die Baustelle, aber einige Stunden später sitzt sie mit Mitstreitern auf der Kreuzung vor der Baustellenzufahrt. "Machen Sie sofort die Straße frei. Sie behindern die Arbeit der Polizei", fordert der Einsatzleiter der Polizei. Henneberger und die anderen ducken sich unter einer Plastikplane; auf sie sind die Zielrohre zweier Wasserwerfer gerichtet.

Dem Strahl widersteht Kathrin Henneberger eine Weile, dem Schlagstock eines Polizisten weicht sie. "Morgen bin ich bestimmt voller blauer Flecke", sagt sie später völlig durchnässt, "aber da muss man durch." Sie findet, dass sich die Aktion gelohnt hat. Für den Klimaschutz. Und irgendwie für eine bessere Welt.

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