Grüne in der Existenzkrise:"Wer links ist, hat es in Österreich schwer"

Grüne in der Existenzkrise: Die Wahlkampagne der Salzburger Grünen-Chefin Rössler setzt auf Heimat: " "Wir dürfen den Begriff nicht den Rechten überlassen."

Die Wahlkampagne der Salzburger Grünen-Chefin Rössler setzt auf Heimat: " "Wir dürfen den Begriff nicht den Rechten überlassen."

(Foto: Leila Al-Serori)
  • Die österreichischen Grünen schlitterten in den vergangenen Monaten in eine existentielle Krise: Sie sind nicht mehr im Parlament vertreten und finanziell am Boden.
  • Die Landtagswahl in Salzburg am Sonntag soll das erhoffte Comeback einläuten - doch die dortige Regierungsbeteiligung der Grünen wackelt.
  • Spitzenkandidatin Astrid Rössler warnt vor einem Aufstieg der FPÖ. Und setzt im Wahlkampf ausgerechnet auf ein Thema der Rechten.

Von Leila Al-Serori, Salzburg

"Das hätte Strache wohl gern, dass wir am Ende sind." Salzburgs Grünen-Chefin Astrid Rössler verzieht das Gesicht, wenn sie auf eine Aussage des FPÖ-Vizekanzlers angesprochen wird. Dieser hatte das Ausscheiden der Grünen aus dem österreichischen Parlament im Oktober grinsend mit den Worten kommentiert, das sei wie "Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen". Pah, sagt die 58-jährige Rössler beim Gespräch in einem Biergarten und macht eine Handbewegung als würde sie eine Fliege verscheuchen. "Nie im Leben sind wir weg."

Rössler, seit 2013 als Landeshauptmann-Stellvertreterin in der schwarz-grünen Salzburger Regierung, ist mitten im Wahlkampf - am Sonntag wird der neue Landtag gewählt. Ihr Selbstbewusstsein überrascht nach den Schreckensnachrichten der vergangenen Monate dennoch. Die österreichischen Grünen haben nämlich anders als die deutsche Schwesterpartei nicht einfach nur mit ein paar Richtungsentscheidungen zu kämpfen - sie sind richtig am Boden.

Nach mehr als 30 Jahren im Parlament scheiterten sie bei der Nationalratswahl 2017 an der Vier-Prozent-Hürde, Hunderte Mitarbeiter verloren ihre Jobs, die Parteiführung trat zurück. Dem katastrophalen Ergebnis war eine Abspaltung des prominenten Grünen Peter Pilz vorausgegangen, dem seither der Ruf anhängt seine Partei zerstört zu haben. Er selbst schaffte es mit seiner neuen Liste ins Parlament.

Damit hörten die schlechten Nachrichten für die Grünen aber nicht auf: Im März diesen Jahres erklärte die frühere Parteichefin Eva Glawischnig, dass sie künftig ausgerechnet für den Glücksspiel-Konzern Novomatic arbeiten wird. Ein Totalschaden für das Image der Weltverbesserer-Partei. Die politische Quittung folgte umgehend: Nach der Wahl in Kärnten schieden sie auch aus dem dortigen Landtag aus. Und vor kurzem wurde noch bekannt, dass die Bundespartei nach dem Wegfall der staatlichen Parteienförderung fünf Millionen Euro Schulden abbauen muss.

Der Absturz scheint umso überraschender, wenn man bedenkt, dass ein Jahr zuvor mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen ein Grüner ins wichtigste Amt Österreichs gewählt wurde. Für viele Beobachter liegt darin aber auch ein Auslöser für die Turbulenzen: Nachdem der Wahlkampf sich fast ein Jahr hingezogen hatte, war die Partei zu ausgezehrt und finanziell ausgeblutet, um stark auf Querelen zu reagieren - und sich vor allem inhaltlich überzeugend zu positionieren.

Kleinlaut versucht man sich seither an einem Comeback, einem programmatischen Neuanfang wie ihn die deutschen Grünen auch vor kurzen bei ihrem "Startkonvent" in Berlin begonnen haben.

Zuerst müssen an diesem Sonntag aber die 390 000 Wahlberechtigten im Bundesland Salzburg abstimmen. Es ist zwar nur eine Landtagswahl, aber für die Grünen könnten sie die Richtung der kommenden Monate weisen. Werden die Verluste ähnlich niederschmetternd sein wie bei den vorangegangen Wahlen? Oder können sie weiter in Salzburg mitregieren? Lässt sich hier tatsächlich demonstrieren, dass die Grünen "nie im Leben weg sind"?

Es sei zumindest das Ziel, sagt Astrid Rössler. Wobei die 20 Prozent von 2013 nicht zu halten seien, das räumt auch sie ein. Die brünette Umweltjuristin kommt zum Gespräch in der Salzburger Innenstadt mit dem Fahrrad, die letzten Meter schiebt sie das Rad, vorbei an einem Plakat mit ihrem eigenen Konterfei darauf und den Worten: "Heimat beschützen."

Klingt so tatsächlich ein grüner Wahlkampf? "Wir dürfen Heimat als Begriff nicht den Rechten überlassen", sagt Rössler. "Verwurzelt zu sein, hat nichts mit rechts sein zu tun. Man kann heimatverbunden sein und trotzdem offen und tolerant."

Das sei eine nachvollziehbarer Kampagne, sagt der Salzburger Politologe Reinhard Heinisch. Schließlich können die Grünen so bürgerlich-konservative Wähler ansprechen, die sie für ein gutes Ergebnis dringend brauchen, erklärt er im Standard. Van der Bellen hat 2016 einen ähnlichen Wahlkampf erfolgreich geführt. Und auch in Deutschland mehren sich linke Stimmen, die den Heimatbegriff nicht den rechten Parteien überlassen wollen.

Rössler führt damit also keine originäre Kampagne, aber doch eine, die Aufmerksamkeit erregt. Und vor allem eine, die einen klaren Gegner ausmacht: die Rechtspopulisten von der FPÖ. Man müsse unbedingt verhindern, dass künftig die ÖVP mit der FPÖ in Salzburg koaliere, sagt Rössler. Das hätte schon auf Bundesebene, wo Kanzler Sebastian Kurz seit bald einem halben Jahr mit FPÖ-Chef Strache koaliert, verheerende Folgen, so die grüne Spitzenkandidatin. "Wie die schwarz-blaue Regierung Sozialabbau betreibt und den Umweltschutz aushöhlt, geht in meine grüne Seele."

Ohne die Grünen im Parlament sei die Opposition geschwächt, die Regierung könne machen was sie wolle, sagt Rössler. "Der Rechtsruck ist stark spürbar - wer links ist, hat es in Österreich schwer." Darauf lässt auch die Reaktion der FPÖ auf das Ausscheiden der Grünen schließen, die ihren politischen Gegner öffentlich mit Häme übergoss. Aus FPÖ-Parteikreisen heißt es als Begründung, dass es niemand so auf sie abgesehen habe wie die Grünen. Wenn der Widersacher ausfalle, könne man sich schonmal freuen.

Richtungskämpfe erschweren den Neuanfang

Astrid Rössler zeigt sich gegen die FPÖ angriffig - bedient sonst aber eher einen sachlichen, mitunter spröden Ton. Populistische Zuspitzungen lehne sie ab, wie sie sagt. Auch wenn sie Heimatsprüche plakatiert, sowie den Slogan: "Ich bin keine Politikerin." Ein bisschen Inszenierung muss offenbar auch bei ihr sein, sie kleidet sich bevorzugt grün, zum Frühstück trinkt sie einen "grünen Smoothie".

Die Zusammenarbeit zwischen Rössler und ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer soll bisher durchaus funktioniert haben, sagen politische Beobachter. Welchen Koalitionspartner Haslauer künftig präferiert, hat er aber nicht verraten. Klar ist, dass er im Amt bestätigt werden wird: Die Umfragen sagen ihm Zugewinne und Platz eins mit an die 32 Prozent voraus, vor Sozialdemokraten (etwa 24), FPÖ (etwa 19) und den Grünen (abgerutscht auf 15).

Sollte Rössler wider Erwarten die Verluste gering halten und genügend Stimmen für eine erneute Zusammenarbeit mit der ÖVP einholen, würde das die Grünen natürlich auch auf Bundesebene stärken.

Tatsächlich sind die Grünen derzeit eher eine föderale Partei, getragen von den Ländern - allerdings auch durchzogen von tiefen Gräben.

Es gibt die Stimmen, die zurück zum Ursprung wollen und fordern, die Grünen wieder klar links zu positionieren. Und eben auch die Stimmen, die die Partei inzwischen als bürgerlich sehen und eine Ausrichtung in Richtung Mitte anstreben. Es sind ungelöste Richtungskämpfe, die seit Jahren schwelen - und die deutliche Parallelen zur deutschen Schwesterpartei offenlegen.

Auch hierzulande kämpften die Grünen mit Existenzängsten im vergangenen Bundestagswahlkampf, zeitweise standen ihre Umfragewerte nur bei sechs Prozent. Doch sie schnitten schließlich mit 8,9 Prozent solide ab, die Jamaika-Verhandlungen konnten sie selbstbewusst bestreiten. Nun wollen sie sich ein neues Grundsatzprogramm verpassen, zwei Jahre lang führen die deutschen Grünen dafür ihren Erneuerungsprozess.

In Österreich wird es wohl mindestens genauso lange dauern - in diesem Mai will man dafür die ersten Weichen stellen. Der Neustart der Grünen werde von den Ländern ausgehen, ist Astrid Rössler überzeugt. "Wir bauen die Bundespartei schon wieder auf." Doch dafür muss sie zuerst in Salzburg zeigen, dass sich die FPÖ tatsächlich zu früh über den Abstieg des politischen Gegners gefreut hat.

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