Grüne im Saarland:Zweifel am Fundament

"Er hat versucht, uns ganz tief durch den Kakao zu ziehen": Die saarländischen Grünen halten die Partei von Oskar Lafontaine für unberechenbar. Auf dem Parteitag fällt immer wieder das Wort Stabilität, das die Grünen wohl für eine Jamaika-Koalition votieren ließ.

Marc Widmann, Saarlouis

Als es ernst wird in seiner Rede, als es endlich um die entscheidende Abstimmung geht, wird Hubert Ulrich poetisch. Von einem wunderschönen Haus spricht er plötzlich, mit vielen Zimmern. Und davon, dass das schönste Haus nichts tauge, wenn das Fundament marode sei und das Gebäude "bei jedem Windstoß umfallen lässt".

So ein Fundament sei in einem rot-rot-grünen Bündnis die Fraktion der Linken. "Nur an Personen" sei ein Linksbündnis an der Saar gescheitert, erzählt Ulrich später - und vor allem an einer: Oskar Lafontaine. Wenn man ihn als rotes Tuch für den Grünen-Chef bezeichnet, mag das wie ein Kalauer klingen. Es trifft das Problem aber ziemlich genau.

Die Wunden reichen zurück bis in die Zeit, als Lafontaine noch SPD-Chef im Saarland war. Schon damals hielt er die Grünen mit Kniffen aus dem Landtag. Vor zwei Jahren, als Lafontaine die Linke aufbaute, warb er die grüne Landtagsabgeordnete Barbara Spaniol ab. Damit, ruft Ulrich in den Saal, habe er es geschafft, die Gesprächsbasis "deutlich anzukratzen".

Dann kam in diesem Sommer der Landtagswahlkampf, in dem Lafontaine verkündete, er wolle die Grünen aus dem Landtag kegeln. "Er hat versucht, uns ganz tief durch den Kakao zu ziehen", sagt Ulrich, und man hört an seiner Stimme, wie frisch die Wunde noch ist. Dann zitiert er angeblich Kurt Tucholsky: Man solle nie so tief sinken und den Kakao, durch den man gezogen wurde, auch noch trinken. Dabei ist das Zitat in Wirklichkeit von Erich Kästner.

Als er das sagt, hat Ulrich noch keine Wahlempfehlung ausgesprochen. Aber allen 150 grünen Delegierten in Saarlouis ist klar, dass er eine Koalition mit diesem "Hasardeur" nicht will. Und manche glauben nun auch die Gerüchte, wonach Ulrich sich innerlich seit Wochen auf ein Bündnis mit CDU und FDP festgelegt habe. Auch wenn er es stets bestritt.

Der Widerspruch allerdings kommt prompt, vor allem aus dem linken Kreisverband Saarbrücken. "Wir werden das gallische Dorf der Aufrechten bleiben", sagt dessen Chef Thomas Brück und droht dem Landesvorsitzenden: "Hubert, du musst dich warm anziehen in den nächsten fünf Jahren."

Es sind aber auch schon die schärfsten Töne des Abends. Farbbeutel fliegen keine, nur Argumente. Und immer wieder fällt das Wort, das am Ende wohl über die neue Regierung des Saarlandes entscheidet: Stabilität. Das hört sich dann so an wie bei Klaus Kessler, dem möglichen neuen Bildungsminister. Er habe wirklich ein linkes Herz, sagt er. Aber die nötige Verlässlichkeit für fünf Jahre könne er eben eher bei der CDU erkennen. So stimmen am Ende 117 der 150 Delegierten für Koalitionsgespräche mit Union und FDP.

Nun kann sich der bisherige Ministerpräsident Peter Müller (CDU) ausgerechnet bei seinem erbitterten Widersacher Lafontaine bedanken, dass er weitere fünf Jahre im Amt bleiben darf. Und das ist nicht die einzige kuriose Folge des grünen Votums: In den letzten Tagen des Wahlkampfs hatte die SPD für die Grünen getrommelt - sogar per Telefon riefen die Sozialdemokraten noch zu deren Wahl auf. Es könnten die entscheidenden Stimmen gewesen sein, die die Grünen mit 5,9 Prozent in den Landtag hievten. Doch nun beenden die Grünen alle Regierungshoffnungen des SPD-Chefs Heiko Maas.

Klar ist schon am Sonntagabend, dass diese Wochen eine ganze Reihe neuer Wunden geschlagen haben, zwischen den Parteien, aber auch innerhalb der Grünen. Spannend wird nun, wie die Partei diese Zerreißprobe übersteht, ob Flügelkämpfe ausbrechen oder die neue Macht eine balsamierende Wirkung entfaltet.

Die Landesvorsitzende Claudia Willger-Lambert glaubt, dass die Grünen in einem Jamaika-Bündnis zum Erfolg verdammt sind. Denn sollte es platzen und es zu Neuwahlen kommen, würden die Grünen wohl nicht mehr in den Landtag einziehen. Zu viele Wähler haben sie am Sonntag erst einmal vergrault und müssen sie nun zurückgewinnen. In der Regierung.

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