Ampel-Koalition:"Mehr gewünscht"

Robert Habeck

Bei der Kanzlerkandidatur hatte er der Co-Parteivorsitzenden Annalena Baerbock den Vortritt gelassen. Nun will Robert Habeck Vizekanzler werden.

(Foto: Phil Dera/laif)

Grünen-Chef Robert Habeck verteidigt im Interview mit der SZ die Verhandlungsergebnisse seiner Partei, räumt aber Defizite ein.

Von Michael Bauchmüller und Constanze von Bullion

Der designierte Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck hat Kritik an den grünen Ergebnissen bei den Koalitionsverhandlungen zurückgewiesen und Deutschland auf einen Umbruch in der Klimapolitik eingestimmt. Dem Land eröffne sich eine historische Chance, er rechne aber auch mit Widerständen. "Die Transformation unserer Industrie mit Millionen von Arbeitsplätzen, der Umbau des Energiesektors ist für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes, ja Europas entscheidend", sagte Habeck der Süddeutschen Zeitung. "Klimaneutralität ist ein gigantisches Transformationsprojekt, mit immens viel Veränderung und Zumutung, das muss man moderieren." Er wisse, dass schwere Entscheidungen anstünden. "Hinter jedem Busch lauert Ärger und Streit."

Die nächste Bundesregierung will den Anteil erneuerbarer Energien auf 80 Prozent steigern, mehr als 1000 neue Windräder pro Jahr bauen und Klimaneutralität in Industrie und Verkehr vorantreiben. Federführend wird ein neues Superministerium für Wirtschaft und Klima, das Habeck leiten soll. Am Donnerstagabend hat die Parteispitze weitere Ministerien bekanntgegeben. Die Co-Parteivorsitzende Annalena Baerbock soll Deutschlands erste Außenministerin werden. Cem Özdemir soll Landwirtschafts- und Ernährungsminister werden, die Parteilinke Steffi Lemke Umweltschutzministerin und Anne Spiegel aus Rheinland-Pfalz Familienministerin. Die bisherige Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth wird Staatsministerin für Kultur und Medien im Kanzleramt.

Vor der Bekanntgabe durch den Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Donnerstagabend hatte es intern erheblichen Ärger über die Personalfragen gegeben. Der linke Flügel hatte sich offenbar gegen die geplante Besetzung eines Ministeramts mit dem Realo Cem Özdemir gewehrt, da dies den linken Fraktionschef Anton Hofreiter das erhoffte Ministeramt kostet. Dass Hofreiter ins Kabinett ziehen würde, galt lange als sicher. Die Grünen-Mitglieder sollen bis Anfang Dezember über den Koalitionsvertrag abstimmen.

In der SZ verwahrte sich Habeck gegen Kritik, die Grünen hätten schlecht verhandelt, das Schlüsselressort Verkehr der FDP überlassen und dafür weiche Themen wie Naturschutz und Familie übernommen. Die Krisen in Belarus oder der Ostukraine seien "harte Herausforderungen", betonte Habeck. Auch das Artensterben sei "nicht gerade ein Kuschelthema". Richtig sei allerdings, dass die Grünen sich im Bereich Finanzen "mehr gewünscht" hätten. Nicht gelungen sei auch die Abschaffung des Dieselprivilegs: "Ich räume ein, da ist eine Lücke." Umweltverbände hatten zuvor Kritik am Koalitionsvertrag geäußert. Dieser lasse "einen ökologischen Aufbruch nur erahnen", hatte Greenpeace-Chef Martin Kaiser kritisiert. Die Koalition müsse dringend nachbessern.

Im Kampf gegen die vierte Corona-Welle zeigte Habeck sich zwar offen für eine allgemeine Impfpflicht - dämpfte aber die Hoffnungen auf eine rasche Wirkung. "Selbst wenn eine allgemeine Impfpflicht morgen gelten würde, wäre es zu spät, um die vierte Welle zu brechen." Ziel müsse sein, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. "Wir müssen Zeit gewinnen, um zu boostern." Dabei könnten 2 G und 2 G plus in weiten Bereichen, 3-G-Regeln und Testpflichten helfen. Gelinge es damit nicht, werde man die Maßnahmen "schleunigst verschärfen müssen". Dann gehe es nicht mehr um differenzierte Kontaktbeschränkungen, sondern um pauschale Maßnahmen.

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