Süddeutsche Zeitung

Grüne Gentechnik:Wo die Empörung wächst

Nur 28 Hektar werden in Deutschland für Gen-Landwirtschaft genutzt, denn die Regeln sind streng und die Verbraucher skeptisch. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner sitzt zwischen allen Stühlen.

Daniela Kuhr

Ob die Grüne Gentechnik im Kampf gegen den Hunger helfen kann, ist offen. Genauso wie die Frage, ob sie für Mensch und Umwelt gefährlich ist. Doch eines steht fest, das zeigen alle Umfragen: Eine große Mehrheit der Verbraucher lehnt gentechnisch veränderte Pflanzen ab. Sie wollen sie nicht auf den Äckern sehen, sie wollen sie nicht in der freien Natur vorfinden und sie wollen sie erst recht nicht in ihren Lebensmitteln wissen. Weil aber niemand auf Dauer am Verbraucher vorbeikommt, spielt der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland bislang so gut wie keine Rolle.

In diesem Jahr waren es ganze 28 Hektar, auf denen Gen-Pflanzen angebaut wurden. Das sind nicht einmal 0,001 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Ackerfläche in Deutschland. Davon dienten 13 Hektar allein zu Forschungszwecken. Universitäten und Konzerne wie BASF testeten dort gentechnisch veränderte Kartoffeln, Mais, Raps, Zuckerrüben oder auch Weizen. Kommerziell sollten gerade einmal 15 Hektar genutzt werden. "Sollten", wohlgemerkt, denn nicht einmal das war möglich.

Auf diesen 15 Hektar hatte ein Landwirt aus Mecklenburg-Vorpommern im Auftrag von BASF die Gen-Kartoffel Amflora angebaut. Sie und der Genmais Mon-810 des US-Konzerns Monsanto sind derzeit die einzigen beiden Pflanzen, die von der EU zum kommerziellen Anbau zugelassen sind.

In Deutschland allerdings gelten für beide Pflanzen Sonderregeln. Wegen Sicherheitsbedenken hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner den Anbau von Mon-810-Mais im vergangenen Jahr komplett untersagt. Den Anbau der Kartoffel hatte sie zwar zunächst erlaubt, doch nachdem im September auf schwedischen Amflora-Äckern Exemplare einer weiteren Gen-Kartoffel aufgetaucht waren, die noch nicht zum kommerziellen Anbau zugelassen ist, ging Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus auf Nummer sicher: Unmittelbar nach der Ernte musste der Landwirt die Amflora-Kartoffeln einlagern. Er darf sie so lange nicht verwerten, bis restlos aufgeklärt ist, wie es zu der Panne in Schweden kommen konnte.

Gen-Pflanzen werden massenhaft importiert

"Die Grüne Gentechnik ist eben eine Risikotechnologie", sagt Stephanie Töwe, Gentechnik-Expertin der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Einmal ausgesetzt lasse sich die Verbreitung nicht mehr kontrollieren. Sie begrüßt daher, dass das Bundesverfassungsgericht die Hürden für die Anwendung nicht herabgesetzt hat. "Meines Erachtens müssten sie sogar noch erhöht werden", sagt Töwe. Denn derzeit werden hierzulande zwar kaum Gen-Pflanzen angebaut - sicher auch deshalb, weil der Deutsche Bauernverband wegen der strengen Haftungsregeln dringend davon abrät. Importiert aber werden sie in Massen. So ist vor allem Gen-Soja aus Brasilien, den USA und Argentinien als Futtermittel für Schweine und Geflügel beliebt. In Lagerhallen oder beim Transport besteht daher immer die Gefahr, dass sich saubere Ware mit Gen-Ware vermischt. "Landwirte, die ihr Getreide als gentechnikfrei verkaufen wollen, müssen viel Geld zahlen, um es ordnungsgemäß kontrollieren zu lassen", sagt Töwe. "Diese Kosten sollten eigentlich diejenigen zahlen, die Gentechnik verwenden."

Die CSU-Ministerin Aigner sitzt derweil zwischen allen Stühlen. Einerseits weiß sie, dass die Verbraucher die Grüne Gentechnik ablehnen. Andererseits verpflichtet sie der Koalitionsvertrag, die Chancen der Grünen Gentechnik nicht ungenutzt zu lassen. In dieser Situation hält Aigner es offenbar für das Beste, sich nicht allzu konkret zu äußern. Die Bundesregierung habe sich verpflichtet, die Regeln zur Grünen Gentechnik weiterzuentwickeln. "Das werden wir auch tun" - mehr wollte ihr Staatssekretär am Mittwoch zu dem Thema nicht mitteilen.

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Quelle:
SZ vom 25.11.2010/hild
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