Parteitag der Grünen:Grenzen grüner Transparenz

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Wenn es gegen die SPD geht, halten sich die Grünen mit Kritik zurück - aus Koalitionsdisziplin. (Foto: Marc John/Imago)

"Russische Lobbytätigkeiten" im Energiesektor aufklären: Ein Delegierter wirbt für einen U-Ausschuss im Bundestag. Das geht auch gegen den Koalitionspartner SPD.

Von Klaus Ott, Berlin

Der Antrag V-18, der auf dem Bundesparteitag der Grünen in Bonn behandelt wurde, dürfte dem Berliner Koalitionspartner SPD nicht sehr gefallen haben. "Russische Lobbytätigkeiten beleuchten", lautete das Ansinnen, das der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Damm aus Mecklenburg-Vorpommern eingebracht hatte. Und das von 65 Mitgliedern seiner Partei unterstützt wurde.

Damm wollte nichts weniger erreichen, als dass die Fraktion der Grünen im Bundestag dort einen Untersuchungsausschuss durchsetzt. Einen U-Ausschuss, der die Regierungen von Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel (CDU) auf deren Beziehungen zu Russland durchleuchtet. Der klärt, wie sich diese Regierungen bei der Energieversorgung so sehr von Wladimir Putin abhängig machen konnten.

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Auch aufgrund "massiver, vermeidbarer energie- und sicherheitspolitischer Fehlentscheidungen" unter Schröder und Merkel fürchteten die Menschen in der Ukraine heute um ihr Leben. "Wir haben eine große Verantwortung und die moralische Pflicht, die Hintergründe umfassend und präzise aufzuarbeiten", haben Damm und seine Gefolgsleute in ihrem Antrag geschrieben.

Solch einen U-Ausschuss wird es wohl nicht geben. Und das nicht nur deshalb, weil weder Union noch SPD daran interessiert sein dürften. Die Bundestagsfraktion der Grünen wird es in dieser so schwierigen und fragilen Lage kaum auf einen großen Krach mit ihrem größeren Koalitionspartner ankommen lassen. Nicht wegen Versäumnissen in der Vergangenheit, wo doch die Zukunft so ungewiss ist.

Je mehr die Grünen mitregieren, desto schwieriger wird es mit der Aufklärung

Der Antrag wurde beim Parteitag in Bonn jedenfalls elegant entsorgt: Überweisung an die Bundestagsfraktion, ohne große Diskussion. Und die Bundestagsfraktion ist an Weisungen aus der Partei nicht gebunden. Zudem gibt es bei den Grünen gegen solch ein Vorhaben ein realpolitisches Argument: Untersuchungsausschüsse seien das Instrument der Opposition, und nicht der Regierung. Und in Berlin regieren die Grünen nun mal.

Damms Vorstoß sagt dennoch allerhand aus. Zum einen über das schwierige Verhältnis zwischen Grünen und SPD. Viele Grüne sehen es so, dass sie nun die Folgen der lange Zeit auch von der SPD verschlafenen Energiewende ausbaden müssten. Und zum anderen gibt der Antrag auch Aufschluss darüber, wie es die Grünen als vielfach mitregierende Partei mit der Aufklärung halten. Die Partei steht schließlich für "saubere Politik und Transparenz". So steht es zumindest in einem Fünf-Punkte-Plan von März 2021.

Auch andere Parteien behaupten, für Transparenz sorgen zu wollen. Aber die Grünen haben da schon immer höhere Ansprüche an sich als die politische Konkurrenz, und sie wollen auch besser sein als die anderen Parteien. Und viele von ihnen versuchen ja auch, das umzusetzen. Hartmut Bäumer, einst Landtagsabgeordneter der Grünen in Bayern und später Amtschef im grün geführten Verkehrsministerium in Baden-Württemberg, war bis vor Kurzem deutscher Vorsitzender der Anti-Korruptionsinitiative Transparency International.

Doch je mehr die Grünen mitregieren, desto schwieriger wird es mit solchen Ansprüchen. Beispiel Hamburg: Dort ist im Cum-Ex-Steuerskandal um die hanseatische Traditionsbank Warburg ein roter Filz sichtbar geworden. Im Hamburger Parlament, der Bürgerschaft, forscht ein Untersuchungsausschuss nach den Kontakten zwischen führenden SPD-Politikern und der Privatbank, die vom hanseatischen Fiskus lange geschont worden war. Das geht bis zum Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher und seinem Vorgänger, Olaf Scholz. Beide dementieren, sich unkorrekt verhalten zu haben.

Prominentestes Beispiel: Putin-Freund und Gaslobbyist Schröder

Die Aufklärungsarbeit in Hamburg überlassen die dort zusammen mit der SPD regierenden Grünen der Opposition. Die heftigste Kritik an Scholz und Tschentscher kommt bei den Grünen von Gerhard Schick, einem der profiliertesten Köpfe in der Partei. Schick hat sich als Bundestagsabgeordneter mit Attacken auf jene Teile der Finanzindustrie hervorgetan, die Steuerhinterziehern zu Diensten sind oder gar selbst in die Staatskasse langen. Im Hamburger Cum-Ex-Skandal hat der Bankenkritiker den Rücktritt von Bürgermeister Tschentscher gefordert.

Das kann sich Schick eigentlich nur leisten, weil er nicht mehr für die Grünen im Bundestag sitzt. Sondern mit dem Verein Finanzwende, der für strenge Bankengesetze kämpft, seine eigene Organisation aufgebaut hat. Schick hat sich unabhängig gemacht von seiner Partei. Wäre er noch Abgeordneter, dann käme eine Rücktrittsforderung gegen den Hamburger Bürgermeister Tschentscher in der eigenen Parteiführung sicherlich nicht gut an. Fraktionsdisziplin und Rücksichtnahme auf den Hamburger wie Berliner Koalitionspartner SPD wären bestimmt wichtiger.

Der Abgeordnete Hannes Damm aus Mecklenburg-Vorpommern hat da mehr Freiheiten - solange er sich im eigenen Bundesland austobt. Dort sind die Grünen in der Opposition, und Damm legt sich heftig mit der regierenden SPD an. Weil die seiner Ansicht nach einen Untersuchungsausschuss im Landtag in Schwerin behindert, der allerlei fragwürdige Vorgänge um die Gaspipeline Nord Stream 2 und das Verhalten der Landesregierung aufklären soll. Mecklenburg-Vorpommern hat sich lange Zeit ziemlich abhängig gemacht von russischem Gas, und Geld aus Russland für Nord Stream 2 war auch willkommen.

Jetzt auch einen U-Ausschuss im Bundestag zu fordern, ist aus Sicht von Damm nur konsequent. Schließlich habe sich nicht nur Mecklenburg-Vorpommern, sondern unter den Regierungen Schröder und Merkel auch ganz Deutschland von russischer Energie abhängig gemacht. Das aktuell prominenteste Beispiel für "problematische Verstrickungen von ehemaligen Bundesregierungsmitgliedern mit Russland", so seht es in dem Antrag zum Parteitag, sei der Altkanzler, Putin-Freund und Gaslobbyist Schröder.

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