Elternzeit:Wie geht Ministeramt und Baby?
Baden-Württembergs grüner Finanzminister Danyal Bayaz will sich Zeit für seinen kleinen Sohn nehmen. Doch das ist gar nicht so einfach. Denn für Minister und Abgeordnete gibt es keine Elternzeit.
Von Claudia Henzler, Stuttgart, und Johann Osel
Danyal Bayaz ist vor zwei Wochen Vater geworden. Er ist seit Mai Finanzminister von Baden-Württemberg und will versuchen, Familie und Beruf irgendwie miteinander zu vereinbaren. Dafür bekommt er viel Aufmerksamkeit, was dem Grünen-Politiker aber gar nicht so recht ist. "Meine Partnerin hat einen Job, der ebenso wichtig und zeitintensiv wie meiner ist. Es sollte also selbstverständlich sein, dass sich auch männliche Politiker um ihren Nachwuchs kümmern, das sollte keine Nachricht sein." Bayaz' Partnerin Katharina Schulze ist Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag.
Dass in Baden-Württemberg über die Frage diskutiert wird, ob auch Berufspolitiker in Elternzeit gehen können, liegt bis zu einem gewissen Grad an einem Missverständnis. Bayaz hatte vor der Geburt seines Sohnes gesagt, dass er plane, sich "eine Zeit rauszuziehen aus den Geschäften". Daraus entstand die Nachricht, er wolle "eine Art Elternzeit" machen - und viele dachten, er wolle für einige Monate ganz aus dem Beruf aussteigen.
Sein Sprecher betont jedoch, dass es immer um ein Modell gegangen sei, wie es Bayaz nun praktiziert. "Ich arbeite derzeit aus dem Home-Office, das geht gut, viele Arbeitsprozesse gehen auch digital, das hat die Pandemie gezeigt", lässt der Minister aus München ausrichten, wo das Paar lebt. "Ich werde auch künftig immer wieder im Home-Office arbeiten und mir Zeit für meine Familie nehmen." Im Landtag saß er diese Woche nicht auf der Regierungsbank. Wenn aber demnächst der Nachtragshaushalt eingebracht wird, werde er in Stuttgart sein. Der Ministerpräsident unterstütze ihn dabei.
Was aber, wenn sich Minister tatsächlich eine Auszeit nehmen wollten? Dafür fehlt bisher eine gesetzliche Grundlage. Minister können sich zwar bis zu einem gewissen Grad von Staatssekretären vertreten lassen. Letztlich müsste aber wohl ein anderer Minister formal die Leitung des Hauses mitübernehmen. Als Kristina Schröder, damals Bundesfamilienministerin (CDU), 2011 ein Kind bekam, kehrte sie wenige Wochen nach der Geburt zurück.
Über Mutterschutz hinaus gibt es in Bayern keine Regelung
Abgeordnete haben auch keinen Anspruch auf eine geregelte Elternzeit. Der Grund ist, dass sie ein freies Mandat ausüben. Wie viel sie arbeiten, ist allein ihnen überlassen. Weil die Bezüge auch während einer Auszeit weiterlaufen würden, haben viele Parlamentarier ein schlechtes Gewissen, wenn sie kürzertreten - oder Sorge, dass es auch nur so aussehen könnte, als wären sie untätig.
Katharina Schulze postete zur Geburt auf Facebook ein Foto mit Baby-Tragekorb und Stofftier: "Mega stolz und super glücklich". Ansonsten wünscht sie sich Privatsphäre. "Ich werde nach dem gesetzlichen Mutterschutz selbstverständlich wieder arbeiten", sagt sie am Telefon. "Wir beide werden uns gemeinsam um unser Kind kümmern, so wie es die Realität auch für ganz viele andere Familien ist."
Über den Mutterschutz hinaus gibt es in Bayern keine Regelungen für Abgeordnete. Schulzes Co-Fraktionschef Ludwig Hartmann trat vor einigen Jahren mal mit der Forderung nach einer bis zu sechsmonatigen Kinderzeit hervor. Keine klassische Elternzeit, aber ein Passus in der Geschäftsordnung des Landtags, der Freiräume schafft, um neben Mandat, Gremien, Bürgerkontakten und Veranstaltungen auch mehr Zeit mit dem Nachwuchs verbringen zu können. Sein Sohn habe bereits im ersten Lebensjahr begriffen, sagte er damals: Sobald er den Pulli gegen den Anzug eintausche, sei der Papa weg.
In Stuttgart können junge Eltern dem Landtag seit 2014 bis zu sechs Monate fernbleiben. Sechs Abgeordnete haben das bislang in Anspruch genommen. Eine ähnliche Regelung gebe es inzwischen im Bundestag, sagt die Grüne Franziska Brantner, die sich für eine Übernahme dieses Modells starkgemacht hat. In der Pandemie sei der Parlamentsbetrieb noch einmal familienfreundlicher geworden, etwa durch kompaktere Sitzungstage. "Ich hoffe, dass wir das rüberretten können."