Grüne:Die Laune war schon mal besser

Abschluss Fraktionsklausur der Grünen im Bundestag

Keine Gegenkandidaten gehabt, trotzdem von jedem dritten Fraktionsmitglied nicht gewählt: Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter am Freitag in Berlin.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)
  • Bei ihrer Klausursitzung in Berlin haben die Grünen ihre beiden Fraktionsvoritzenden bestätigt.
  • Katrin Göring-Eckardt erhält 67,7 Prozent der Stimmen, Anton Hofreiter kehrt mit 66,1 Prozent zurück ins Amt.
  • Hofreiter fordert seine Partei auf, sich in der Opposition stärker zu positionieren: Manche Themen seien nicht neu, "weil sie seit Jahren ungelöst sind".

Von Constanze von Bullion, Berlin

Sie geben sich alle Mühe, der Angelegenheit Schwung zu verleihen. Vorangehen und "mit aller Kraft zupacken" wollen die Grünen, auch wenn sie als kleinste Fraktion im Bundestag sitzen, sagt Anton Hofreiter. Er klingt irgendwie tapfer. Und Katrin Göring-Eckardt, die noch etwas gefangen wirkt in der Enttäuschung über die gescheiterten Jamaika-Verhandlungen, ruft schon einmal die "ökologische Revolution aus", die sie der konservativen Revolution des Alexander Dobrindt entgegensetzen will: "Wir haben es offensichtlich mit einer Art Kulturkampf zu tun."

Freitag in einem Bundestagsgebäude mit Blick auf die Spree, in einem Amphitheater haben die Bundestagsgrünen sich eine neue Fraktionsspitze gewählt. Kandidiert haben jene, die schon im Amt sind: die Reala Katrin Göring-Eckardt, die auf 67,7 Prozent der Stimmen kam. Vor zwei Jahren hatte sie noch 84,5 Prozent geholt. Einen Dämpfer gab es auch für Anton Hofreiter, den 2015 noch gut 86,2 Prozent der grünen Bundestagsabgeordneten an der Fraktionsspitze sehen wollten. Jetzt kehrt er mit 66,1 Prozent zurück ins Amt. Das dürfte auch daran liegen, dass Hofreiter den Spitzenkandidaten Cem Özdemir bei der Kandidatenkür auf der Strecke gelassen hat. Etliche Grünen-Abgeordnete hätten sich aber auch auf dem Frauenplatz ein neues Gesicht vorstellen können. Die Bundestagsgrünen haben bei einer Klausur diskutiert, wie sie der AfD und einer Wiederauferstehung der großen Koalition begegnen. Die Laune sei nicht überschäumend gewesen, berichten Grünenpolitiker. Und die Fraktionsspitze genau an dem Tag zu wählen, an dem Union und SPD ihre Sondierungen abschließen, sei nicht allzu stimmungsfördernd. Bei der Klausur, so ein Teilnehmer, habe ein Parteienforscher den Grünen erklärt, neben der Ökologie ein zweites programmatisches Bein zu stärken. Mit sozialer Gerechtigkeit könnte die Partei zwar keine Wahlen gewinnen - sie aber verlieren, wenn hier keine Ideen kämen, etwa bei Pflege, Familie oder Kinderarmut. Ähnlich äußert sich am Freitag Fraktionschefin Göring-Eckardt. Union und SPD hätten nur abgekupfert, was die Grünen zum Thema Pflege vorgelegt hätten. Ihre Fraktion werde sich nun darauf konzentrieren, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und Problemen wie Antisemitismus nicht nur in der AfD, sondern auch in Zuwanderermilieus nachzugehen.

Was die große Koalition vorlege, sei "ganz kleines Karo", so Göring-Eckardt. Insbesondere die Aufgabe der Klimaziele für 2020 sei erschütternd. "Das ist ein Vergehen an der Zukunft, ein Vergehen an der Lebensqualität - ich finde es ein Drama."

Zur möglichen großen Koalition sagt die Fraktionschefin: "ganz kleines Karo"

Hofreiter, der den europaweiten Rechtsruck als Herausforderung für die Grünen benennt, kritisiert ebenfalls die große Koalition. Viele Probleme seien "seit Jahren ungelöst", von Union und SPD komme nichts als ein "müdes, träges Weiter-so". Vergnügter zeigt sich Britta Haßelmann, die als Erste Parlamentarische Geschäftsführerin wiedergewählt wurde. Mit 85,3 Prozent fuhr sie ein besseres Ergebnis ein als die Fraktionschefs. "Ich lege Wert auf ein lebendiges Parlament", sagt sie. Respekt vor demokratischen Institutionen müsse im Bundestag nun neu erkämpft werden. "Wer das Parlament verächtlich macht, dem werden wir die Stirn bieten." Bei den Grünen richten sich die Augen nun auf den Parteitag, der in zwei Wochen neue Parteivorsitzende wählen soll. Neben der Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock und der niedersächsischen Grünenchefin Anja Piel kandidiert Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck. Bisher wollte Habeck allerdings nur Parteichef werden, wenn ihm eine Übergangsfrist von "Pi mal Daumen" einem Jahr zur Übergabe seines Ministeriums gewährt wird. Dafür soll die Parteisatzung geändert werden - ein schwieriges Manöver. Der Parteilinke Jürgen Trittin unterstützt den Realo Habeck nun und kündigte am Freitag einen Kompromiss an. "Ich habe mich mit dafür eingesetzt, dass die Übergangszeit ein Drittel der Amtszeit beträgt, also acht Monate", sagte er der SZ. "Das hat der Robert jetzt akzeptiert." Auf Anfrage bestätigte Habeck, mit acht Monaten Übergang könne er leben: "Bis zum Herbst ist das, was ich mit 'Pi mal Daumen' meinte. Es ist eine gute Zeit, um einen geordneten Übergang hinzukriegen." Habecks Chancen auf den Parteivorsitz dürften damit wachsen. Für den Kompromiss wird nun in grünen Landesverbänden geworben.

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