Grüne feiern nach Landtagswahl:"Ein historisches Ereignis"

Mit ihrem zweistelligen Ergebnis landen die Grünen auf Platz zwei. Dass die CSU bei der Koalitionsbildung nicht auf sie angewiesen ist, stört da wenig - im Gegenteil.

Von Constanze von Bullion, Berlin, und Lisa Schnell

Sie fallen einander in die Arme, Parteichef Robert Habeck und Fraktionschef Toni Hofreiter, und dann ballern die Konfettikanonen los und tauchen den bayerischen Landtag in einen grünen Glitzerregen. Auf etwa 18 Prozent kommen die Grünen in Bayern nach den Hochrechnungen der Forschungsgruppe Wahlen, es ist das erste zweistellige Wahlergebnis im Freistaat überhaupt.

"Diese Wahl hat Bayern jetzt schon verändert", ruft die sichtlich euphorisierte Spitzenkandidatin Katharina Schulze, nachdem sie mit ihren Parteifreunden in einem kleinen Triumphzug in den Saal gezogen ist.

Ex-Parteichef Cem Özdemir, der den Wahlabend ebenfalls im Münchner Maximilianeum verbringt, gibt sich bedächtig. Er mahnt, dass jetzt "hoffentlich alle mit diesem Ergebnis verantwortungsvoll umgehen". Fraktionschef Hofreiter nennt die Zahlen "einfach ein historische Ereignis". Bundespolitisch müssten sich nun vor allem die Union und die SPD erklären. Die Grünen, so viel steht schon zu Beginn des Wahlabends fest, haben ein Spitzenergebnis erzielt und sind in Bayern auf Platz zwei hinter der CSU gelandet.

Schon am frühen Abend vermelden Wahlforscher erheblichen Zuwachs in den bayerischen Großstädten, aber auch in ländlichen Regionen. Nur - regieren dürften die Grünen wohl eher nicht in Bayern, auch das kündigt sich früh an. Denn im Laufe des Sonntagabends zeichnete sich immer deutlicher ab, dass die CSU zusammen mit den Freien Wählern über ausreichend Stimmen verfügen, um eine Regierung zu bilden - selbst wenn es die FDP nicht in den Landtag schafft. Noch größer wäre zwar die Mehrheit für eine Regierung von CSU und Grünen. Für die Grünen wäre das bundespolitisch jedoch die größte anzunehmende Belastungsprobe. Indes von Kummer kann am Sonntagabend keine Rede sein, auch nicht bei der grünen Wahlparty in Berlin.

"Was für ein Abend. Das Ergebnis ist einfach nur wow", sagt dort die grüne Co-Bundesvorsitzende Annalena Baerbock, die in bonbonfarbenem Kleid und Siegesstimmung vor ihre Parteifreunde tritt. "In diesen Stunden hat Bayern Haltung und Menschlichkeit gewählt." Die Grünen hätten ihr Ergebnis mehr als verdoppelt, die Alleinregierung der CSU gebrochen und statt auf Angst auf politische Antworten gesetzt. "Es wird mit uns keine antieuropäische Politik geben", sagt Baerbock.

Dass die Grünen vermutlich nicht mitregieren, wen interessiert das schon an diesem Abend? Zwischen 16 und 19 Prozent der Wählerstimmen hatten Meinungsforscher den Grünen in Bayern vorhergesagt. Vor fünf Jahren war die Partei nur auf 8,6 Prozent gekommen und ging lediglich als viertstärkste Kraft ins Ziel. Nun haben die Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann ein Ergebnis erkämpft, das bisher nur die Grünen in Bremen und Baden-Württemberg übertroffen haben. Selbst dem traditionell starken grünen Landesverband in Berlin ist ein solches Wahlergebnis bisher nie gelungen.

Grund zum Feiern also bei den Grünen, wo man neben dem rasanten Wahlkampf in Bayern auch die Bundespolitik als Ursache des Erfolgs sieht. Das zänkische Auftreten der Koalition in Berlin, der Rechtskurs der CSU in der Flüchtlingspolitik und immer neue Angriffe auf die Bundeskanzlerin - all das habe CSU-Stammwähler an die Wahlstände der Grünen getrieben. Dass das Wahlergebnis den Grünen zu nennenswertem Einfluss auf die Landespolitik in Bayern verhilft, zeichnet sich am Sonntag aber nicht ab.

Im Gegenteil. Denn die CSU gedenkt mit den Grünen nur im Notfall zu regieren. "Inhaltlich sind die Grünen denkbar weit weg", sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) noch am Wahlabend. Grünen-Chef Habeck habe kurz vor der Bayernwahl noch in Frage gestellt, dass Bayern demokratisch sei. Daher ziehe er "ein bürgerliches Bündnis" vor, sagt Söder. Wirklich traurig darüber dürften bei den Grünen nicht viele sein, auch wenn das kein Spitzengrüner derzeit öffentlich sagt.

Jenseits der bayerischen Landesgrenzen hatten sich viele Grüne zuletzt gefragt, was passiert, falls die CSU keine gemeinsame Regierung mit Freien Wählern oder anderen bürgerlichen Kräften zustande bringt. Dann nämlich würden Koalitionsgespräche zwischen CSU und Grünen wahrscheinlicher. Bayerns Spitzenkandidatin Schulze hatte derlei Gespräche nicht ausgeschlossen und vor der Wahl aufgezählt, was sie danach so alles durchsetzen würde. Ihr Kollege Ludwig Hartmann konnte es nicht erwarten, die "nichtstuende, mutlose Politik der CSU" zu beenden.

Bayerns Spitzenkandidaten ließen bis zuletzt keine Zweifel daran, dass sie bereit wären zu regieren, auch mit der CSU. Im Landesverband reagierten einige zunächst skeptisch. CSU und Grüne waren füreinander immer das größte Feindbild. Mit jedem Prozentpunkt aber, den die Grünen in Umfragen aufstiegen, war die Skepsis gewichen. Außer von der Grünen Jugend gab es im Landesverband zuletzt kaum Stimmen, die gegen Gespräche mit der CSU waren.

An der Bundesspitze der Grünen hingegen gab es erhebliche Bedenken gegen die Idee einer Regierung mit der CSU. An der Parteibasis sei das kaum vermittelbar, hieß es. Die Sache könne sich zu einem Glaubwürdigkeitsproblem für die Grünen auswachsen. Gerade beim Thema Migration stünden die Grünen geschlossen da, als einzige Partei im linken Lager. Schwarz-grün in Bayern, so die Befürchtung, könnte dieser Geschlossenheit schnurstracks ein Ende machen. Danach sehe es nun eher nicht aus, sagt Bundesgeschäftsführer Michael Kellner am Sonntagabend. "Wenn es für eine Regierung der CSU mit den Freien Wählern reicht, dann ist das für die CSU doch viel leichter als mit den Grünen." Es klingt nicht, als bedauere Kellner diese Entwicklung.

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