Klar zum Angriff auf die CDU, aber bitte ohne allzu viel Porzellan zu zerschlagen - so lässt sich das Manöver der Bundes-Grünen im Gebührenstreit von Magdeburg umreißen. Nachdem Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am Dienstag entschieden hatte, nicht über höhere Rundfunkgebühren abstimmen zu lassen, weil partout kein Konsens zu erzielen ist, zeigte Grünen-Chef Robert Habeck sich angriffslustig. Gleichzeitig vermied er es aber, seinen Parteifreunden in Sachsen-Anhalt die weitere Zusammenarbeit mit der CDU zu zerreden.
"Wir haben in den letzten Wochen und Tagen gesehen, dass der Ministerpräsident sich nicht mehr in seiner eigenen Fraktion und Partei durchsetzen konnte", sagte Habeck. "Aus unserer Sicht hat die CDU ihre Regierungsfähigkeit in Sachsen-Anhalt damit komplett eingebüßt." Es zeige sich aber auch, dass die Bundes-CDU in der Frage der Abgrenzung von der AfD vor eine "Zerreiß- und Machtprobe gestellt" worden sei. Ein nennenswerter Einfluss der Bundesspitze auf ihre Landesverbände sei "nicht mehr feststellbar".
Regierungsunfähig, führungslos, bar jeder Autorität, so lautet die grüne Diagnose für die CDU. Deren missliche Lage betonen die Grünen ohne Unterlass, immerhin wollen sie im Bundestagswahlkampf an der Union vorbeiziehen. Auch die Hängepartie bei der Wahl eines CDU-Vorsitzenden beobachten die Grünen nicht ohne Freude. Dass es CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht gelang, den Landesverband Sachsen-Anhalt auf Kurs zu bringen, wird als Beleg des Kontrollverlusts gedeutet.
Die Schwäche der CDU-Führung könnte auch den Grünen gefährlich werden
Weniger gern sagen Grünen-Obere, wie gefährlich die schwache CDU-Führung auch ihnen werden könnte. Käme Schwarz-Grün im Bund, wäre das dem linksdrehenden Teil der Grünenbasis schwer vermittelbar. Zwischen Grün und Schwarz gibt es breite Gräben, ob beim Klimaschutz, der Sicherheits- und Migrationspolitik oder im Sozialen. Käme noch eine unklare Haltung zur AfD hinzu, weil nicht alle CDU-Landesverbände die Abgrenzung der Bundes-CDU mitmachen, hätte Schwarz-Grün ein Riesenproblem, aus grüner Sicht.
Gleichzeitig gibt der Konflikt in Magdeburg den Grünen einen Vorgeschmack auf das, was auch im Bund kommen könnte: dass die Grünen aus inhaltlichen Gründen eigentlich Nein sagen müssten zu einer Koalition mit der Union, dann aber die staatspolitische Verantwortung ins Feld führen, um das Bündnis doch zu rechtfertigen. Man könne das Land nicht allein lassen in der Pandemie, heißt es nun bei den Landesgrünen in Sachsen-Anhalt. Es gab schon einfachere Botschaften.
In der Bundes-CDU war am Dienstag dagegen Erleichterung zu spüren. Parteichefin Kramp-Karrenbauer hätte eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags zwar für vertretbar gehalten. Über den Staatsvertrag ist schon verhandelt worden als Kramp-Karrenbauer noch Regierungschefin im Saarland und Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz war. Ein derart lang und intensiv verhandeltes Werk wieder aufzuschnüren, das hält Kramp-Karrenbauer nicht für sonderlich klug. Jetzt kommt die Beitragserhöhung - zumindest vorerst - nicht. Doch angesichts dessen, was Reiner Haseloff vermieden hat, lässt sich das für die Bundes-CDU zumindest einigermaßen verschmerzen.
Wenn die Koalition in Magdeburg am Rundfunkbeitrag zerbrochen wäre, hätte das in der Union politische Eruptionen ausgelöst. Es wäre unweigerlich um die Fragen gegangen: Wie hält es die CDU mit der AfD? Und was sind all die Parteibeschlüsse gegen jedwede Form der Zusammenarbeit mit den radikalen Rechten wert?
Der neue CDU-Chef - er wird im Januar gewählt - hätte es gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit einem Problem zu tun gehabt, das schon das Ende von Kramp-Karrenbauers Karriere als Parteichefin eingeleitet hat. Es waren ja die Ereignisse rund um die Wahl eines Ministerpräsidenten mit Stimmen von CDU und AfD in Thüringen, nach denen Kramp-Karrenbauer ihren Rückzug von der Parteispitze angekündigt hatte.
Jubel löse das Ergebnis von Magdeburg in der CDU-Spitze trotzdem nicht aus, hieß es am Dienstag im Konrad-Adenauer-Haus. Denn es sei unter den möglichen Ergebnissen nur das am wenigsten schlechte. Und es führe an anderen Stellen zu Problemen in der CDU. Die Partei stellt ja nicht nur den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, sondern noch fünf weitere. Und die haben ausnahmslos für den Rundfunkstaatsvertrag gestimmt. Dass der wegen der Verständigung von Magdeburg jetzt platzt, halten sie für eine Zumutung.
Der Streit um den Rundfunkbeitrag hat außerdem nicht nur Grüne und SPD an der CDU zweifeln lassen. Er hat auch das Verhältnis der Union zu Grünen und Sozialdemokraten eingetrübt. In der CDU-Spitze haben sie vor allem die Attacken von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und Grünen-Chef Habeck als ungehörig empfunden. Habeck hatte erklärt, es gehe in Sachsen-Anhalt nicht nur um die Höhe des Rundfunkbeitrags, sondern "um das Verständnis von freier Presse und freiem Wort und freier Sprache in Deutschland" - und der CDU damit indirekt vorgeworfen, die freie Presse infrage zu stellen.