Grüne Bundestagsvizepräsidentin:Künast zieht zurück - Weg frei für Roth

Fraktionssitzung Grüne

Wohl bald Bundestagsvizepräsidentin für die Grünen: Claudia Roth.

(Foto: dpa)

Das maue Wahlergebnis hat sie aus ihrem Amt als Parteichefin gespült, jetzt darf Claudia Roth Bundestagsvizepräsidentin werden. Die Fraktion sprach sich mit großer Mehrheit für sie aus, nachdem Konkurrentin Renate Künast einer Kampfabstimmung aus dem Weg gegangen war. Roth winkt nun ein Posten mit Prestige, hohem Einkommen und üppiger Ausstattung.

Von Michael König, Berlin

Es kann ein langer Dienstag werden für die Grünen. "Open End" hat Parteichef Cem Özdemir für das Sondierungsgespräch mit der Union ausgerufen, das um 17 Uhr beginnt. Es soll zum zweiten Mal eine "ernsthafte Diskussion" geben, bevor Grüne und CDU/CSU mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verkünden: Schwarz-Grün, das klappt nicht.

Weniger Scheinwerferlicht, aber ein konkretes Ergebnis bietet dagegen die Gesprächsrunde, die am Dienstagmorgen bereits um 9:30 Uhr zusammengekommen ist: Hinter verschlossenen Türen zog dort Renate Künast in der Bundestagsfraktion ihre Kandidatur für den Posten der Bundestagsvizepräsidentin zurück. Das berichten Teilnehmer der Sitzung. Damit fiel die Kampfabstimmung aus, der Weg war frei für Claudia Roth. Sie erhielt 54 Stimmen der Grünen-Abgeordneten (bei fünf Nein-Stimmen und vier Enthaltungen) und kann ihre Karriere im Austragsstüberl des Bundestagspräsidium ausklingen lassen.

Das magere Ergebnis von 8,4 Prozent für die Grünen bei der Bundestagswahl hat beide aus ihren Ämtern gespült: Roth, 58, seit 2004 Parteichefin und ehemalige Beauftragte für Menschenrechte der rot-grünen Bundesregierung von Kanzler Gerhard Schröder, wird auf dem Grünen-Parteitag am kommenden Wochenende nicht wieder als Vorsitzende antreten. Ihren Posten soll die frühere saarländische Umweltministerin Simone Peter einnehmen.

Künast, 57, war Bundesverbraucherschutzministerin unter Schröder, dann von 2005 an Fraktionschefin im Bundestag. Dort ist sie bereits abgewählt: Vor einer Woche ging ihr Posten an Katrin Göring-Eckardt über, die mit Anton Hofreiter die neue Fraktionsspitze bildet. Göring-Eckardt macht damit Platz in einem Büro, das Roth nun übernehmen darf: Sie war bislang die Grüne im Bundestagspräsidium, gehörte also zu den fünf Stellvertretern von Bundestagspräsident Norbert Lammert.

Die Union hat Lammert für die kommende Legislaturperiode wieder nominiert. Jede Fraktion darf mindestens einen Stellvertreter aufstellen, die der Bundestag dann aus seiner Mitte wählt. Bislang waren das Wolfgang Thierse (SPD), Eduard Oswald (CSU), Hermann Otto Solms (FDP), Petra Pau (Linke) und Göring-Eckardt.

Mitglied im Präsidium zu sein, das klingt nicht unbedingt sexy, verspricht aber Prestige und ein Büro mit üppiger Ausstattung. Lammert hat laut Protokoll das zweithöchste Amt im Staat inne. Nach dem Bundespräsidenten, noch vor der Bundeskanzlerin. Entsprechend hoch ist sein Einkommen: Der Bundestagspräsident hat Anspruch auf die normale Abgeordnetendiät in Höhe von derzeit etwa 8250 Euro - und auf eine monatliche Amtszulage in gleicher Höhe. Macht insgesamt etwa 16.500 Euro im Monat. Eine monatliche Amtsaufwandsentschädigung in Höhe von gut 1000 Euro kommt noch hinzu, sowie die Kostenpauschale, die alle Abgeordneten bekommen.

12.400 Euro - und ein schönes Büro

Die Stellvertreter bekommen immerhin die halbe Amtszulage, also insgesamt knapp 12.400 Euro im Monat, plus Amtsaufwandsentschädigung in Höhe von gut 300 Euro. Hinzu kommt die normale Kostenpauschale und großzügige Büros im Bundestag.

Die Liste der Aufgaben dürfte einer erfahrenen Politikerin wie Roth dagegen keine Kopfschmerzen bereiten: Ist der Bundestagspräsident verhindert, leitet einer seiner Stellvertreter die Parlamentssitzungen. "Er eröffnet und schließt die Sitzungen, ruft die Tagesordnungspunkte auf und erteilt den Rednerinnen und Rednern das Wort", heißt es in der Jobbeschreibung auf der Website des Bundestages. Auch darf der jeweils amtierende Präsident "Abgeordnete ermahnen, ihnen das Wort entziehen und sie sogar bis zu 30 Sitzungstage von Plenar- und Ausschusssitzungen ausschließen".

Hinzu kommen repräsentative Aufgaben, etwa bei Staatsempfängen oder historischen Anlässen, und die Prüfung der Rechenschaftsberichte, Parteispenden und Wahlkampfkostenerstattung. Dafür steht dem Präsidium entsprechend viel Personal zur Verfügung.

Stellen die Mitglieder Unregelmäßigkeiten fest, hat eine Partei also zum Beispiel Spenden nicht regelkonform veröffentlicht, muss sie Strafzahlungen leisten. Das Geld soll dann laut Parteiengesetz an soziale Einrichtungen ausgeschüttet werden. An welche genau, das ist nicht festgelegt. Darüber entscheiden der Bundestagspräsident und seine Stellvertreter. In den vergangenen Jahren verteilten sie das Geld auffällig oft an Einrichtungen in ihren eigenen Wahlkreisen.

Die Gesamtrechnung: Etwa 12.700 Euro Einkommen im Monat, deutlich mehr als ein normaler Bundestagsabgeordneter, mit mehr Personal, größeren Büros und mehr Prestige. Plus der Möglichkeit, den eigenen Wahlkreis ein bisschen zu pampern. Ein hübsches Trostpflaster für jeden, der gerade eine Wahlpleite zu verkraften hat.

Mitarbeit: Christoph Hickmann

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