Wichtige PersonalentscheidungenWie die Grünen Kanzler Merz attackieren wollen

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Zum bekannten Führungspersonal, das weiter die Fraktion prägt, zählt Konstantin von Notz. Allerdings musste er erst eine Kampfabstimmung gewinnen.
Zum bekannten Führungspersonal, das weiter die Fraktion prägt, zählt Konstantin von Notz. Allerdings musste er erst eine Kampfabstimmung gewinnen. (Foto: Bernd von Jutrczenka/DPA)

Nach Baerbock und Habeck: Die Grünen wollen in der Opposition wieder mutiger und angriffslustiger auftreten. Doch der personelle Neustart nach den verlorenen Wahlen bleibt aus. In der Partei löst das auch Ärger aus.

Von Markus Balser, Berlin

Die Grünen im Bundestag haben am Dienstag zum Start in die neue Wahlperiode gleich eine stundenlange Sitzung anberaumt. Von 13 Uhr bis zum Abend ist das Treffen im Reichstagsgebäude angesetzt, schließlich sind etliche Personalien zu klären. Als die Türen am späten Nachmittag früher als erwartet wieder aufgehen, wird allerdings klar: Der Neuanfang fällt erst mal aus. Die Fraktionsvizes Andreas Audretsch, Agnieszka Brugger, Konstantin von Notz und Julia Verlinden sind wiedergewählt. Mit der Innenpolitikerin Misbah Khan aus Rheinland-Pfalz zieht nur ein neues Gesicht in die Fraktionsspitze ein. Die 35-Jährige soll sich künftig um die Themen Gesundheit, Forschung und Familie kümmern.

Dass sich trotz herber Stimmenverluste fast die gesamte Fraktionsführung an der Spitze hält, war lange nicht zu erwarten. Zu schwach fiel mit gerade mal 11,6 Prozent das Ergebnis der Bundestagswahl aus. Die Grünen verloren damit nicht nur die Regierungsmacht. Die Fraktion schrumpfte auch noch um ein Viertel auf 85 Sitze im Bundestag. Nach dem Rückzug von Robert Habeck und Annalena Baerbock aus der Führung der Partei hatte so mancher Grüne im Bundestag gehofft, dass die beginnende Oppositionszeit nun auch von neuen Gesichtern geprägt werden würde.

Das erprobte Duo an der Fraktionsspitze nutzte die neue Macht

Doch es kam anders: Nachdem das Duo Britta Haßelmann und Katharina Dröge Unionschef Friedrich Merz in den Verhandlungen zur Reform der Schuldenbremse und zusätzlichen Investitionen auch von vielen Grünen kaum für möglich gehaltene Zugeständnisse abgerungen hatte, wurde die Kritik an der Fraktionsspitze zuletzt immer leiser. Ende März bestätigten die Grünen dann bereits Haßelmann und Dröge im Amt. Auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, wurde wiedergewählt.

Britta Haßelmann und Katharina Dröge führen die Grünen-Fraktion schon seit Dezember 2021.
Britta Haßelmann und Katharina Dröge führen die Grünen-Fraktion schon seit Dezember 2021. (Foto: Guido Kirchner/DPA)

Das Duo an der Fraktionsspitze nutzte die neue Macht, um Vertraute und ein bereits erprobtes und funktionierendes Team in der Parteiführung zu halten. Nur der Innenpolitiker von Notz musste sich am Dienstag einer Kampfkandidatur stellen, gewann aber deutlich. Er setzte sich gegen den Herausforderer und früheren Hamburger Justizsenator Till Steffen durch. Auch die Ärztin und Haushaltspolitikerin Paula Piechotta hatte sich zuletzt um einen Posten als Fraktionsvizechefin bemüht – mit Unterstützung ostdeutscher Landesverbände. Doch auch ein Unterstützerbrief half nicht. Sie trat am Dienstag gar nicht erst an und ging im Ringen um den einzig freien Platz ebenso leer aus wie der Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen, dem ebenfalls Interesse nachgesagt wurde.

Alle wichtigen Ämter gingen an westdeutsche Grüne

Vor allem in den ostdeutschen Landesverbänden der Grünen wächst der Ärger über die Postenvergabe. Weil schon die bisherige Vizepräsidentin des Bundestags, Katrin Göring-Eckardt aus Thüringen, im Ringen um eine Wiederwahl für die nächste Legislatur parteiintern den Kürzeren zog und letztlich Ex-Parteichef Omid Nouripour den Posten bekam, gingen alle wichtigen Ämter an westdeutsche Grüne. In der Partei- und Fraktionsführung ist mit Parteivorstand Heiko Knopf nur ein Ostdeutscher vertreten. Die Postenverteilung widerspricht damit der gerade vom Parteivorstand verabschiedeten Ost-Initiative, die den Grünen in den neuen Bundesländern eigentlich mehr Sichtbarkeit und starke Stimmen verschaffen will.

Zwar setzte sich am Abend Claudia Müller aus Mecklenburg-Vorpommern als eine von drei parlamentarischen Geschäftsführerinnen neben Anja Reinalter und Filiz Polat durch. Das allerdings sehen führende ostdeutsche Grünen-Politiker nur als Trostpflaster. Auch in der Fraktionssitzung sei Kritik daran laut geworden, dass zu wenige ostdeutsche Grüne Spitzenämter innehätten, hieß es am Dienstag nach dem Treffen.

Bei den Grünen entsteht mit der Neuwahl der Fraktionsführung auch ein neues Machtzentrum. Mit dem Wechsel von der Regierung in die Opposition bekommt die Fraktionsspitze traditionell mehr Gewicht. Das nächste Ringen um Macht und Einfluss steht schon am Mittwoch auf dem Programm einer weiteren Fraktionssitzung. Dann müssen die Grünen darüber entscheiden, wen sie zu den Sprechern von Fachgebieten wählen.

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