Parteitag der Grünen:"Wir müssen das in Zukunft klarer regeln"

Parteitag der Grünen: Die Juristin Emily Büning, 36, wird politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen.

Die Juristin Emily Büning, 36, wird politische Bundesgeschäftsführerin der Grünen.

(Foto: Elias Keilhauer)

Emily Büning übernimmt bei den Grünen einen heiklen Job: als politische Bundesgeschäftsführerin die Geschäfte in Ordnung bringen. Dass das interne Chaos eine Kanzlerkandidatur beschädigt, soll nicht noch mal passieren.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Beneidet wird sie eher nicht um die neue Aufgabe. Schon weil der Laden, den sie führen will, zu den Dauerbaustellen der Grünen zählt. Emily Büning scheint das nicht zu schrecken, die bisherige Organisationschefin der Grünen will sich an diesem Samstag beim virtuellen Parteitag zur politischen Bundesgeschäftsführerin wählen lassen, eine Gegenkandidatin oder einen Gegenkandidat hat sie nicht. Hinter der holprigen Berufsbezeichnung verbirgt sich ein Amt, das in anderen Parteien Generalsekretärin heißt und eine gewisse Angriffslust voraussetzt. Generalsekretäre, das sind oft Leute, die im politischen Alltag gern mal auf Attacke schalten.

Büning, 36 Jahre alt und Juristin, gehört also zu den vielen bei den Grünen, für die jetzt eine Metamorphose beginnt. Denn durch eine Neigung zur Kratzbürstigkeit und Konfrontation ist die Parteilinke bislang nicht aufgefallen. Die gebürtige Hamburgerin, deren Eltern schon auf Grünen-Demos mitliefen, wird von Parteifreunden eher als blitzgescheite gute Seele der Parteizentrale beschrieben. Als ewig schuftende Organisatorin, die politisch eher unauffällig blieb - und erlebt hat, wie der grüne Bundestagswahlkampf aus dem Tritt geriet, kaum dass er begonnen hatte. "Manchmal muss man verlieren, um beim nächsten Mal zu gewinnen", sagt Büning dazu. Die Grünen wollen aus ihren Fehlern lernen, auch aus dem Organisationschaos, das Annalena Baerbocks Kanzlerkandidatur beschädigt hat.

Die Parteizentrale umstrukturieren, die Kommunikation professioneller gestalten, die vielen neuen Mitgliedern besser einbinden, ehrliche Fehleranalysen zulassen - so etwa hört sich Bünings Programm an, es würde auch zu einer tatkräftigen Unternehmensberaterin passen. "Wenn wir jetzt nicht den Mut haben, das anzugucken, vertun wir eine große Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen", sagt sie.

Das nächste Mal, das ist die Bundestagswahl 2025. Die Grünen wollen sie gewinnen und sie wissen, das wird nur klappen, wenn sie beizeiten neue Wählergruppen erobern. Dazu gehört auch ein seriöserer Auftritt, etwa in Sachen Finanzen. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den grünen Bundesvorstand, weil er sich 2020 einen Corona-Bonus von 1500 Euro pro Kopf genehmigte, ohne dies von einer weiteren Instanz kontrollieren zu lassen. So können die Strukturen nicht bleiben, findet Büning. "Wir müssen das in Zukunft klarer regeln."

Wie weit kann die Selbstkritik gehen?

Die Neue weiß, es wird nicht einfach, in der Startphase der Regierung den Blick zurück zu richten, ausgerechnet auf die Dinge, die schiefliefen in ihrer Partei. Ein 170 Seiten langer Fehlerkatalog immerhin soll bereits vorliegen, externe Beratungskräfte seien auch schon im Haus. Es gibt bei den Grünen allerdings auch Zweifel, wie weit die Selbstkritik am Ende wirklich gehen wird. Denn die Aufräumarbeiten könnten sowohl Außenministerin Annalena Baerbock als auch den bisherigen politischen Bundesgeschäftsführer Michael Kellner einholen. Er hat die Wahlkampagne verantwortet und ist jetzt mit einer Schar führender Köpfe aus der Parteizentrale ausgewandert, zu Robert Habeck ins Wirtschaftsministerium.

Personen würden nicht angezählt, versichert hingegen Emily Büning. "Wir müssen uns fragen: Wie kommunizieren wir schneller in Krisen? Wir fragen nicht: Wer war schuld?" Aber ist sie nicht womöglich selbst ein Teil des Problems statt seiner Lösung, weil auch sie bisher zum Organisationsteam der Grünen gehörte? "Ich glaube, ich bin ein selbstreflektierter Mensch und bringe notwendige und wertvolle Erfahrung aus dem letzten Jahr und meiner gesamten Zeit in der Bundesgeschäftsstelle mit", lautet ihre Antwort. Die Grünen-Zentrale, das werde jetzt ein Thinktank, eine Denkfabrik für die nächste Runde, sagt Büning. Ungemütlicher Job? "Glaube ich nicht, ich habe jetzt richtig Lust." Es klingt noch nicht mal ausgedacht.

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