Grüne beim Flüchtlingsgipfel:Warum die Grünen die "bittere Pille" schlucken

Winfried Kretschmann

Winfried Kretschmann.

(Foto: dpa)
  • Beim deutschen Flüchtlingsgipfel haben sich die Grünen in Bund und Ländern auf einen einheitliche Linie geeinigt.
  • Die Partei wollte damit eine Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit vermeiden.
  • Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident hofft mit der Einigung, der Kritik der Opposition im eigenen Land den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Winfried Kretschmann empfing seine grünen Freunde nach dem Flüchtlingsgipfel in Berlin sozusagen auf heimischem Terrain. In der baden-württembergischen Landesvertretung versammelten sich am Donnerstagabend gegen 22 Uhr die stellvertretenden Ministerpräsidenten aus den von Grünen mitregierten Ländern, dazu die Spitzen von Bundesvorstand und Bundestagsfraktion.

Reihum wurden die Meinungen zu dem ausgehandelten Kompromiss abgefragt. Gegen Mitternacht formulierte man eine gemeinsame Erklärung, derzufolge das Paket eine "tragfähige Grundlage für das weitere Gesetzgebungsverfahren" sei. Aus Sicht des Gastgebers bedeutete das: Rückendeckung für Kretschmann.

Von "bitteren Pillen" und "Schikane" ist die Rede

Die Ausweitung der "sicheren Herkunftsländer" oder die Leistungskürzungen für abgelehnte Asylbewerber sind nun keineswegs grüner Konsens. Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Bundestagsfraktion, sprach im Deutschlandfunk von "bitteren Pillen" und "Schikane". Kretschmanns grüner Landesverband äußerte sich ähnlich. Der Tenor ist in allen Wortmeldungen jedoch gleich: An dem von Kretschmann geschlossenen Kompromiss habe kein Weg vorbeigeführt.

Vor einem Jahr noch war der Ministerpräsident aus der eigenen Partei heftig angegriffen worden, nachdem er die Ausweisung von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer gebilligt hatte. Aus dem selbstzerstörerischen Streit hat die Partei gelernt. Nun zwingt man sich zum Konsens.

Für Kretschmann ist die Einigung mit der Kanzlerin ein Befreiuungschlag

Mitte Oktober soll im Bundesrat über das Paket abgestimmt werden, eine Mehrheit scheint gesichert zu sein. Zwei der neun von Grünen mitregierten Bundesländer müssten zustimmen. Kretschmanns grün-rote Regierung ist in jedem Fall dabei, sofern sich die Vereinbarungen in den dann vorgelegten Gesetzen finden. Als wesentliche Erfolge seiner Verhandlungen reklamiert Kretschmann für sich die Gesundheitskarte, die Arbeitsmarktkorridore für Menschen vom Westbalkan und die strukturelle Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterbringung und Verpflegung von Flüchtlingen.

Die "Verantwortungsgemeinschaft" zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft sei gestärkt durch den Kompromiss, sagt Kretschmann. Darüber hinaus bedeutet die Einigung mit der CDU-Kanzlerin Merkel einen Befreiungsschlag für Kretschmanns Grüne und den Koalitionspartner SPD.

CDU-Spitzenkandidat Wolf liegt weit hinter Kretschmann

Im März 2016 wird gewählt, und die CDU versucht seit Monaten, Kretschmanns Regierung die Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen als "Organisationsversagen" anzukreiden. Einer neuen Wahlumfrage von SWR und Stuttgarter Zeitung zufolge hat Grün-Rot die Mehrheit verloren. CDU (39 Prozent) und FDP (5) sind wieder stärker als Grüne (26) und SPD (17). Für eine schwarz-gelbe Mehrheit würde es dennoch nicht reichen, denn mit 5 Prozent zöge auch die Alternative für Deutschland ins Parlament ein. Die Südwest-AfD war von den innerparteilichen Querelen besonders stark gebeutelt worden, die Umfragewerte sackten ab. Doch die Flüchtlingsdebatte treibt ihr offenbar wieder Unterstützer zu.

Für Kretschmanns Herausforderer Guido Wolf ist das Thema also nicht unbedingt ein Bonus. Der Umfrage zufolge glauben ohnehin nur wenige Wähler, dass er mit seiner CDU die Flüchtlingsproblematik besser in den Griff bekommen würde als Grün-Rot. Und im direkten Vergleich liegt er in der Wählergunst weiterhin klar hinter Winfried Kretschmann, dem Grünen mit dem Landesvater-Image.

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