Baden-Württemberg:Die Grünen wollen raus aufs Land

Baden-Württemberg: Ein Ministerpräsident in seinem Element: Winfried Kretschmann schimpft beim Landesparteitag der Grünen auf die Entlastungspakete und alte Bundesregierungen.

Ein Ministerpräsident in seinem Element: Winfried Kretschmann schimpft beim Landesparteitag der Grünen auf die Entlastungspakete und alte Bundesregierungen.

(Foto: Thomas Kienzle/AFP)

Noch redet in der Parteispitze niemand über eine Zukunft ohne Winfried Kretschmann, den einzigen grünen Ministerpräsidenten. Alles ganz weit weg, heißt es. Doch die Grünen wissen, dass sie auf schwierigem Terrain Wähler gewinnen müssen.

Von Max Ferstl, Donaueschingen

In Donaueschingen gibt es einige Attraktionen, die grüne Parteimitglieder ins Schwärmen bringen: den barrierefreien Bahnhof zum Beispiel. Oder den Hofladen, der Kartoffeln und Bio-Eier von den umliegenden Bauernhöfen verkauft. Dazu kommt ein vorbildliches Bewusstsein fürs Energiesparen. "Wir machen von 0 bis 5 Uhr alle Straßenbeleuchtungen aus", ruft Bürgermeister Erik Pauly am Samstag den Delegierten beim Landesparteitag der Grünen in Baden-Württemberg in der Donauhalle zu. Es könnte so schön sein, doch die Sache hat einen kleinen Haken: Pauly ist von der CDU.

Donaueschingen, 23 000 Einwohner, 120 Kilometer südlich von Stuttgart, gehört zu jenem Landesteil, den Parteistrategen als "ländlichen Raum" bezeichnen. Bislang gab es für die Grünen hier wenig zu holen, bei der Kommunalwahl 2019 bekam die Partei nur 17 Prozent, Platz drei hinter CDU und FDP. Aber das soll sich ändern. Die Grünen wollen raus aufs Land.

Noch redet niemand in der Parteispitze von der Zeit, in der Baden-Württembergs Ministerpräsident nicht mehr Winfried Kretschmann heißen wird. Gewählt werde erst 2026, heißt es. Da wird Kretschmann nicht mehr antreten. Doch natürlich ist ihnen längst aufgefallen, dass die Grünen hier bei Landtagswahlen viel besser abschneiden als bei Bundestagswahlen. Und der sogenannte "Kretschmann-Effekt" wird in absehbarer Zukunft wegfallen.

Auch im grünen Südwesten dreht sich nicht auf jedem Hügel ein Windrad

Dann müssen die Stimmen woanders herkommen - vorzugsweise aus dem "ländlichen Raum", den die Delegierten am Wochenende per Leitantrag stärken und perspektivisch erobern wollen. Eine Delegierte aus Tuttlingen merkt allerdings kritisch an, dass in dem Antrag leider nicht steht, wie diese Stärkung konkret aussehen soll. Gut, dass bis 2026 noch Zeit bleibt.

Denn noch ist Kretschmann da - und erkennbar kämpferisch gestimmt, als er am Samstagmittag auf die Bühne steigt. Er schimpft über das Entlastungspaket des Bundes, nimmt aber Wirtschaftsminister Robert Habeck vor den "Schlaumeiern" in Schutz, die dessen Gasumlage kritisieren. Und er wirft der Union vor, bei der Energiewende versagt zu haben: "Jetzt fallen uns die strategischen Fehlentscheidungen der letzten Bundesregierungen auf die Füße."

Doch die Grünen selbst sind bei dem Thema nicht unantastbar. Auch in Baden-Württemberg dreht sich nicht auf jedem Hügel ein Windrad, trägt nicht jedes Dach eine Photovoltaik-Anlage. Genau das fordert Kretschmann dann: eine Solarpflicht für alle Häuser. Groß denken, sagt er. Darauf zielt der zweite Leitantrag ab: Erneuerbare Energien sollen schneller ausgebaut werden. Als Kretschmann die Bühne verlässt, erheben sich die Delegierten.

Fragt man ein bisschen herum, sagen einige, dass ohne Kretschmann ein Vakuum entstehen könnte. Und dass die Partei die Nachfolge-Frage nicht verschleppen dürfe. Wohlwollend wird hingegen zur Kenntnis genommen, dass Cem Özdemir seine Rede mit sehr schwäbischem Zungenschlag hält, unter anderem preist er die Vorzüge des "günschtigen" 9-Euro-Tickets. Der Bundeslandwirtschaftsminister spielt in den Zukunftsfantasien vieler Delegierte eine tragende Rolle. Als er von der Bühne steigt, bekommt er viel Applaus. Nur bei Kretschmann war es lauter.

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