Debatte um Baerbock-Buch:In Fischers Worten

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"Viele Ideen" seien in ihr Buch eingeflossen, sagt Annalena Baerbock. Auf ihre Umfragewerte wirkt sich die Debatte negativ aus. (Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat für ihr Buch auch Sätze vom grünen Ex-Außenminister und von Jürgen Trittin übernommen. Sie selbst sagt, sie habe bewusst auf Fakten aus öffentlichen Quellen zurückgegriffen.

Von Roland Preuß, München

Weitere Plagiatsvorwürfe befeuern die Debatte um Annalena Baerbock und beschädigen laut Umfragen das Image der grünen Kanzlerkandidatin. Der österreichische Medienwissenschaftler und Plagiatejäger Stefan Weber versandte am Wochenende ein Papier, in dem er insgesamt 29 Plagiatsfragmente im kürzlich erschienen Baerbock-Buch "Jetzt - Wie wir unser Land erneuern" aufführt. Demnach hat die Politikerin auch von den grünen Außenpolitikern und ehemaligen Ministern Joschka Fischer und Jürgen Trittin Formulierungen übernommen.

So hatte Fischer vergangenen Dezember in einem Interview mit der NZZ gesagt: "Dieses Projekt war nie energiepolitisch, sondern immer geopolitisch motiviert seitens Russlands. Das Ziel war die Umgehung der Ukraine und Osteuropas, nicht Gaslieferungen nach Westeuropa." Im Buch von Baerbock heißt es: "Diese Pipeline war seitens Russlands nie energiepolitisch, sondern immer geopolitisch motiviert. Das Ziel ist die Umgehung der Ukraine und Osteuropas, es sind nicht die Gaslieferungen nach Westeuropa."

Jürgen Trittin hatte im April in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau mit Blick auf die Beziehungen zu den USA geschrieben: "Auf Feldern von strategischer Bedeutung wie Energie, Digitalisierung, Finanzindustrie gilt Bidens 'Buy American'". Europa muss das ernst nehmen." Baerbock schreibt: "Europa muss diese geoökonomischen Interessen ernst nehmen. Natürlich muss eine neue transatlantische Agenda auch in Feldern von strategischer Bedeutung wie Energie, Digitalisierung oder Finanzindustrie gelten (...)."

Pointierte analytische Einschätzungen, kein Allgemeinwissen

Die ersten Fundstücke, die Weber auf seinem Blog dokumentiert hatte, stammten fast alle aus offen zugänglichen Quellen wie der Bundeszentrale für politische Bildung und enthielten Allgemeinwissen wie die EU-Beitrittsstaaten von 2004. Nun geht es auch um pointierte analytische Einschätzungen oder Meinungen, die in dem Buch als die von Baerbock erscheinen, aber offenbar nicht von ihr stammen. Die Kanzlerkandidatin, die sich im Wahlkampf auch außenpolitisch profiliert, scheint eine regelmäßige Leserin der Fachzeitschrift Internationale Politik zu sein - jedenfalls stammt von dort eine weitere von Webers Fundstellen. Anfang des Jahres formulierte die Pariser Forscherin Florence Gaub in dem Magazin: "Wer ständig in Krisen denkt, verharrt in der Kurzfristigkeit und verliert an strategischer Tiefe." Bei Baerbock findet man den Satz: "Wer immer nur von der Gegenwart aus denkt, verharrt in der Kurzfristigkeit und verliert an strategischer Tiefe." In dem Buch finden sich auch Formulierungen aus einem Aufsatz des US-Professors Michael T. Klare, der die Übernahme jedoch selbst nicht als Plagiat ansieht.

Die 29 Plagiatsfragmente bestehen fast durchgehend nur aus einzelnen Sätzen oder Satzteilen, die Baerbock offenbar übernommen hat, ein Großteil davon aus Medien wie dem Spiegel oder dem SZ-Magazin. Allerdings ist damit zu rechnen, dass weitere Funde die Debatte am Köcheln halten werden. Sie habe für ihr Buch "sehr bewusst auf Fakten aus öffentlichen Quellen zurückgegriffen", sagte Baerbock den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Das ist kein Fachbuch, daher gibt es keine Fußnoten." Auf die Frage, ob sie das Buch selbst geschrieben habe, sagte sie: "Ja, aber wie es so schön heißt: Niemand schreibt ein Buch allein." Es seien nicht nur "viele Ideen eingeflossen", sie habe dankenswerterweise auch Unterstützung bekommen. Grundlage seien Niederschriften langer Interviews mit ihr gewesen. Der Autor Michael Ebmeyer habe diese transkribiert.

Die Vorwürfe scheinen bereits den Ruf der Kanzlerkandidatin anzukratzen. 61 Prozent der Wahlbürger hielten es für einen Fehler, dass die Grünen mit Baerbock und nicht mit ihrem Co-Vorsitzenden Robert Habeck in die Bundestagswahl zögen, so das Ergebnis einer repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Augsburger Allgemeinen. 24 Prozent halten Baerbocks Kandidatur demnach für richtig. Plagiatsjäger Weber kündigte indes am Wochenende an: "Selbstverständlich" werde er auch das neue Buch von Robert Habeck untersuchen.

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