Grün-schwarze Koalitionsverhandlungen:Die CDU kämpft mit ihrer Rolle als Juniorpartnerin

Winfried Kretschmann und Guido Wolf

Könnten künftig die Regierung führen: Ministerpräsident Kretschmann (l., Grüne) und CDU-Fraktionsvorsitzender Wolf.

(Foto: Bernd Weissbrod/dpa)
  • In Stuttgart beginnen die Verhandlungen über eine grün-schwarze Koalition.
  • Manche Christdemokraten sprechen sich für eine pragmatische Lösung aus, andere ringen mit der neuen Rolle des Juniorpartners.
  • Auf die Grünen warten Gespräche mit einer emotionalisierten Partei ohne klare Hierarchie.

Von Josef Kelnberger, Stuttgart

Tatsächlich, die Grünen gibt es noch in Baden-Württemberg. Sie sind bloß nicht zu hören gewesen in den knapp drei Wochen seit der Landtagswahl. Während die CDU in ihrem Schmerz lautstark um sich selbst kreiste, hielten sich die Wahlsieger bedeckt. Keine Spitzen gegen die CDU, keine roten Verhandlungslinien, die man öffentlich zog. "Es liegen arbeitsreiche und intensive Wochen vor uns", so lapidar äußerten sich die Landesvorsitzenden Thekla Walker und Oliver Hildenbrand, als am Mittwochabend klar war: Die CDU ist bereit zu offiziellen Koalitionsverhandlungen, bereit für ihre historische Rolle als Juniorpartner.

Intern gab man bei den Grünen nach der Wahl durchaus die halb scherzhafte Parole aus, das Wahlkampf-Material besser noch nicht einzustampfen. Vielleicht würde es ja bald wieder gebraucht. Es herrschte auch Unmut über die FDP, die sich Gesprächen über eine Ampel verweigerte, obwohl eine Einigung möglich gewesen wäre. Aber alle halten dicht, alle versammeln sich hinter Winfried Kretschmann, dem Ministerpräsidenten - wohl wissend, dass man in den Verhandlungen mit der CDU schmerzliche Kompromisse wird eingehen müssen. Die Grünen wollen sich als natürliche Regierungspartei profilieren.

Eine emotionalisierte Partei ohne klare Hierarchie ist ein unangenehmer Verhandlungspartner. So waren die Grünen früher selbst, in dem Zustand befindet sich noch immer die CDU Baden-Württembergs - auch wenn sie sich unter der Regie des Landesvorsitzenden Thomas Strobl abzufinden beginnt mit dieser Partnerschaft wider Willen.

Der Machtverlust von 2011 war keine "Fußnote der Geschichte"

Der Mittwoch war für viele in der Partei ein denkwürdiger Tag. Mittags nahm man Abschied von Lothar Späth, dem langjährigen Ministerpräsidenten. Und die liebevolle Art und Weise, wie Winfried Kretschmann beim Staatsakt den CDU-Heros als "Lehrmeister" der Grünen rühmte, ließ erahnen: Die Hegemonie der Christdemokraten ist erst einmal verloren im Südwesten, trotz der fast 70 000 Mitglieder, trotz ihrer Verankerung in Kreisen, Kommunen, Verbänden und Vereinen. Und der Machtverlust 2011 war keine "Fußnote der Geschichte", wie es auf Parteitagsreden immer wieder hieß.

Zur Sitzung des Landesvorstands, bei der die Entscheidung über Koalitionsverhandlungen fallen sollte, waren auch Vertreter der 41 Kreisverbände geladen. Als Stimme der Basis. Reihum machten sie ihrem Unmut Luft. Mehrmals wurde Guido Wolf angegriffen, der gescheiterte Spitzenkandidat und amtierende Fraktionsvorsitzende. Immer wieder forderten Vertreter der Kreise, den Grünen symbolische Opfer abzuverlangen, als Preis für die Rolle als "Juniorpartner". So funktionierten Koalitionsverhandlungen aber nicht, entgegnete ihnen der Landtagsabgeordnete Reinhard Löffler: Beide Partner müssten sich in einem Vertrag wiederfinden. Viele Sitzungsteilnehmer horchten auf: ausgerechnet Löffler. Er galt bislang nicht unbedingt als Freund der Grünen.

Über der CDU schwelt die offene Führungsfrage

Dieser neue Pragmatismus drückte sich auch im Abstimmungsergebnis aus. Einhellig votierte der Vorstand für Koalitionsverhandlungen. Unter den Vertretern der Basis gab es nur eine Gegenstimme und eine Enthaltung. Zwar befürchten viele, die CDU werde an der Seite von Winfried Kretschmann genauso marginalisiert wie dessen bisheriger Regierungspartner SPD. Aber noch größer ist offenbar die Furcht vor Neuwahlen, vor fünf weiteren Jahren in der Opposition, in Konkurrenz zur AfD.

"Wir fusionieren nicht mit den Grünen", sagte hinterher Thomas Strobl, "es handelt sich um eine Partnerschaft auf Zeit." Zwar lasse sich aus der Aufnahme von Verhandlungen nicht zwingend folgern, dass ein Bündnis zustande komme, "aber wir suchen keinen Vorwand, uns vom Acker zu machen." Fraktionschef Guido Wolf stellte in seiner Partei zwar viel Skepsis, andererseits aber auch "regelrechte Lust" auf die Zusammenarbeit mit den Grünen fest. Sollte der Koalitionsvertrag auch die Handschrift der CDU tragen, prophezeite er "ein klares Ja zu diesem Projekt". Einen Mitgliederentscheid über den Vertrag wird es wohl nicht geben - weniger aus Angst vor einem Nein als aus Sorge vor geringer Beteiligung.

Weiterhin schwelt über der Partei die offene Führungsfrage. Geht Strobl als stellvertretender Ministerpräsident in die Regierung oder bleibt er im Bundestag? Zieht Wolf doch noch persönliche Konsequenzen aus der Niederlage? All das muss in den nächsten Wochen geklärt werden.

Die Grünen sind jedenfalls fest entschlossen, der CDU ein fairer Partner zu sein. "Es darf im Koalitionsvertrag nicht nur darum gehen, dass der eine den anderen einhegt", sagte Alexander Bonde, Minister für den Ländlichen Raum und Mitglied der grünen Verhandlungsdelegation. Bonde ist seit seiner Zeit im Bundestag als Freund schwarz-grüner Projekte bekannt. Dass es nun ein grün-schwarzes Projekt geworden ist, ändert nichts an seiner Haltung: "Beide Partner müssen sich in ihrer Identität wiederfinden. Und idealerweise finden wir auch Projekte, auf die wir gemeinsam stolz sind." An diesem Freitag treffen sich die Partner wider Willen zur ersten offiziellen Verhandlungsrunde.

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