Grün-Rot in Baden-Württemberg:Kretschmann ist erster grüner Ministerpräsident

Keine Zitterpartie in Stuttgart: Winfried Kretschmann ist zu Deutschlands erstem grünen Ministerpräsidenten gewählt worden. Der baden-württembergische Landtag votierte mit 73 von 138 Stimmen für den 62-Jährigen. Das sind zwei Stimmen mehr, als die grün-rote Koalition Abgeordnete hat.

Knapp sieben Wochen nach der Landtagswahl ist der historische Machtwechsel in Baden-Württemberg perfekt: Der Landtag in Stuttgart hat Winfried Kretschmann zum ersten grünen Ministerpräsidenten in Deutschland gewählt. Der frühere Grünen-Fraktionschef erhielt am Donnerstag 73 von 138 Stimmen. Damit bekam Kretschmann offenbar nicht nur die Stimmen von Grünen und SPD, sondern auch zwei Stimmen aus der Opposition von CDU und FDP. Am Nachmittag sollen auch die Minister der grün-roten Landesregierung vereidigt werden.

Kretschmann bedankte sich nach seiner Wahl für das "große Vertrauen" des Parlaments und legte den Amtseid einschließlich der Formulierung "so wahr mir Gott helfe" ab. "Ich nehme es als Auftrag, dass es nicht meine Aufgabe ist, zu polarisieren, sondern zusammenzuführen", sagte Kretschmann anschließend im SWR-Fernsehen.

Als eine der großen inhaltlichen Herausforderungen der neuen grün-roten Landesregierung bezeichnete Kretschmann das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21. Dieses bleibe "ein Stolperstein". Er hoffe, "dass wir nicht in die Baugrube fallen". Bis Mitte Oktober soll ein Volksentscheid darüber stattfinden.

Mit großer Spannung war das Votum erwartet worden. Denn während bei der Wahl des Landtagspräsidenten am Mittwoch die einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen genügt hatte, brauchte Kretschmann die Mehrheit aller Abgeordneten. Das waren 70 Stimmen. Grüne und SPD verfügen zusammen über 71 der 138 Mandate, die neuen Koalitionspartner hätten sich also höchstens einen Abweichler leisten können.

Er sei vor der Abstimmung "schon etwas nervös" gewesen, räumte der Grünen-Politiker nach der Wahl ein. Er hatte sogar mahnend an die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis erinnert, die 2005 nach vier gescheiterten Wahlgängen aufgab. Oder an Erwin Teufel, der in Stuttgart 1996 zwei Anläufe brauchte. Teufel hatte ein paar Parteifreunde bei der Postenvergabe übergangen - und das, merken einige Sozialdemokraten nun an, sei doch bei Kretschmann nicht anders.

Doch alle Sorgen waren unbegründet: Mit Kretschmanns Wahl ist die 58 Jahre lange Dominanz der CDU in Baden-Württemberg durchbrochen. Die Koalition will vor allem den Ausstieg aus der Atomenergie, den Ausbau der Gesamtschulen sowie eine stärkere Bürgerbeteiligung auf allen Ebenen vorantreiben.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat die Lage in Baden-Württemberg, wo die Sozialdemokraten Juniorpartner der Grünen sind, als eine Ausnahmesituation bezeichnet. "Es ist für uns, die wir im Südwesten der Republik immer schwächer waren, ein akzeptables Ergebnis." Dass die SPD aber auf Bundesebene nicht die Nase vor den Grünen habe, halte sie überhaupt nicht für eine realistische Option.

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