Elf Stunden lang haben sie am Donnerstag im Kanzleramt getagt. Bis in die Nacht hinein verhandelte die Arbeitsgruppe von Union und SPD über die geplante Grundrente für langjährige Niedrigverdiener. "Die Kanzlerin ist jedenfalls in der Zwischenzeit schneller in Indien als wir hier fertig", twitterte der thüringische CDU-Chef Mike Mohring, der für seine Partei in dem Gremium sitzt, am Abend mit Blick auf den Abflug der Kanzlerin zu den deutsch-indischen Regierungskonsultationen.
Ein finales, von allen abgenicktes Konzept kam am Ende trotzdem nicht dabei heraus. Union und SPD sind jedoch, das war am Tag danach aus Verhandlungskreisen zu hören, tatsächlich auf die Zielgerade eingebogen. Den Streitpunkt, dass die SPD eigentlich eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung wollte, die Union aber ebendiese verlangte, will man nun mit einer Einkommensprüfung umschiffen. Die soll automatisch erfolgen, auf Grundlage von Finanzamtsdaten, also dem Steuerbescheid. Noch allerdings gibt es keinen solchen Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Finanzamt. Gleichzeitig würde eine solche Lösung bedeuten, dass Vermögen nicht mitzählt beim Anspruch auf Grundrente.
Exklusiv Koalitionsstreit:Union und SPD bei Grundrente offenbar kurz vor Einigung
CSU-Chef Markus Söder bietet der SPD im langen Streit um die Grundrente einen Kompromiss an - im Gegenzug fordert er ein Konjunkturpaket.
Zu hören war am Freitag zudem, dass bei verheirateten Paaren auch das Einkommen des Partners berücksichtigt werden soll. Sollte diese Regelung allerdings für Paare ohne Trauschein nicht gelten, wäre das vermutlich eine rechtlich schwierige Ungleichbehandlung. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach kritisierte eine mögliche Anrechnung von Partnereinkommen als "frauenfeindlich". Frauen sollten einen eigenen Anspruch auf Grundrente haben, unabhängig von ihrem Mann, sagte er der Süddeutschen Zeitung.
Das ursprüngliche Konzept zielte auf drei Millionen Berechtigte, jetzt sollen es nur noch 1,5 sein
Noch offen ist, bis zu welcher Einkommensgrenze die Grundrente gezahlt werden und bis zu welcher Höhe Niedrigrenten aufgestockt werden sollen. Über das Wochenende sollen nun zahlreiche Varianten durchgerechnet werden, hieß es aus Verhandlungskreisen. Die Union will die Kosten möglichst gering halten, die SPD dagegen den Kreis der Berechtigten möglichst groß. Das ursprüngliche Konzept von Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) zielte auf drei Millionen Berechtigte ab, was anfangs 3,8 Milliarden Euro im Jahr gekostet hätte, später 4,8 Milliarden. Der Union ging das jedoch viel zu weit. Nun ist von etwa 1,5 Millionen Grundrentnern und höchstens 1,7 bis 1,8 Milliarden Euro Kosten im Jahr die Rede - doch auch diese Summe könnte noch auf Widerstand in der Union stoßen.
Am Montag soll die Arbeitsgruppe dem Vernehmen nach ein letztes Mal tagen und dann dem Koalitionsausschuss, der am Montagabend zusammenkommt, einen Einigungskorridor vorlegen. Für die SPD sitzen neben Heil noch Finanzminister Olaf Scholz, Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee und die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig in der Arbeitsgruppe. Die CDU hat neben Kanzleramtschef Helge Braun und Mohring noch Gesundheitsminister Jens Spahn und Fraktionsvize Hermann Gröhe entsandt. Von der CSU sind Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Staatskanzleichefin Karolina Gernbauer dabei.