Große Koalition:Umstrittener Spurwechsel

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Union und SPD haben angekündigt, zur gemeinsamen Sachpolitik zurückzukehren. Doch an diesem Montag droht der nächste große Streit.

Von Henrike Roßbach und Mike Szymanski, Berlin

Wenn an diesem Montag die Spitzen der großen Koalition zum Koalitionsausschuss zusammen kommen, soll von dem Treffen vor allem ein Signal ausgehen: die Rückkehr zur Sachpolitik nach dem Streit um den scheidende Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Boris Pistorius, SPD-Vorstandsmitglied und Innenminister in Niedersachsen, sagte der SZ: "Ich glaube, die Ereignisse der letzten Wochen und Monate müssten jedem klar gemacht haben, dass es nur noch wenige Chancen gibt, die große Koalition erfolgreich arbeiten zu lassen." Regelmäßige Sitzungen des Koalitionsausschusses könnten seiner Meinung nach dazu beitragen, dass "man zu einer regelmäßigen und vertrauensvollen Basis der Zusammenarbeit zurückkehrt". Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann (CDU) sagte: "Nach den Unruhen der letzten Tage und Wochen kommt diesem Treffen durchaus eine besondere Bedeutung bei. Gelingt es, die Themen nicht nur einzeln abzuhaken, sondern auch eine klare Linie und damit ein Signal des Aufbruchs zu vermitteln? Ich hoffe es."

Die SPD blickt mit Spannung auf das Treffen am Montag

Allerdings steht am Montag - neben der Nachrüstung von Dieselautos und Konsequenzen aus dem jüngsten Wohngipfel - mindestens ein Thema mit Konfliktpotenzial auf der Tagesordnung: das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Die SPD setzt sich für einen "Spurwechsel" ein, dass also abgelehnte Asylbewerber, die einen Arbeitsplatz haben, eine Aufenthaltsgenehmigung über das Einwanderungsrecht für Fachkräfte statt für Flüchtlinge bekommen können. Bislang sieht das Eckpunktepapier von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) diese Möglichkeit nicht vor. CDU-Generalsekretärin Annegret Kram-Karrenbauer sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Die Möglichkeit zum Spurwechsel widerspricht einer geregelten Einwanderungspolitik." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich ebenfalls ablehnend geäußert.

Angesichts des Fachkräftemangels in vielen Regionen dringt die Wirtschaft schon lange auf eine Neuregelung für den Fachkräftezuzug. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) etwa erhofft sich Erleichterungen bei der Visa-Vergabe im Ausland, eine vereinfachte Zuwanderung für Facharbeiter ohne akademischen Abschluss und ein Ende der Vorrangprüfung, ob also für eine Stelle nicht auch ein deutscher oder EU-Bewerber gefunden werden könnte. Anders als beim Handwerk, das sich bereits für den Spurwechsel ausgesprochen hat, taucht dieses Reizwort beim DIHK bislang nicht im Forderungskatalog aus. Zu groß ist offenbar die Sorge, dass ein Streit darüber das gesamte Fachkräfteeinwanderungsgesetz gefährden könnte.

Die SPD blickt mit Anspannung auf das Treffen am Montagabend. Parteichefin Andrea Nahles legt Wert auf solche Gespräche in größerer Runde. Die Zusammenkünfte allein der drei Parteivorsitzenden hatten sich zuletzt als problematisch erwiesen, weil es danach unterschiedliche Darstellungen darüber gab, was besprochen worden war. Zum Koalitionsausschuss gehören die Partei- und Fraktionsvorsitzenden sowie Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

© SZ vom 01.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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