Süddeutsche Zeitung

Große Koalition:Streiten sollen die anderen

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Von Wolfgang Wittl

Die erste Sitzung des Jahres, zu der sich der CSU-Vorstand am Montag in München trifft, folgt alten Ritualen - und doch ist vieles neu. Nichts erinnert an die selbstzerstörerischen Personaldebatten, nichts an den Streit, in dem die Partei monatelang versank. Ist das wirklich noch dieselbe CSU, die sich so lustvoll im Machtkampf aufgerieben hat?

Parteichef Horst Seehofer begrüßt alle Anwesenden, als käme er frisch aus dem Urlaub. Er gratuliert den neu gewählten Vorstandsmitgliedern, dann werden die Generalsekretäre Andreas Scheuer und Markus Blume in ihren Ämtern bestätigt. Nicht mal Seehofers Zeitplan, erst bis Mitte April solle die neue bayerische Staatsregierung ihre Geschäfte aufnehmen, löst Unruhe aus. Anhänger des designierten Ministerpräsidenten Markus Söder hatten zwar auf einen früheren Stabwechsel gehofft. Doch streiten sollen von nun an lieber andere. Und so blickt die CSU mit einer Mischung aus Staunen, Unverständnis und Sorge auf die SPD, ihren alten Koalitionspartner in Berlin, der sich ziert, eine weitere politische Zweckehe einzugehen.

Auch Markus Söder gibt sich betont großkoalitionär

Egal, welcher CSU-Politiker sich äußert: Der Appell an die Sozialdemokraten, die Sondierungsergebnisse nicht schlechtzureden, darf nicht fehlen. Nur die Freundlichkeit der Worte variiert. Doch selbst scharfzüngige CSUler bemühen sich am Montag um des lieben Regierens willen um Frieden. Sogar Alexander Dobrindt, der ja nicht nur die CSU im Bundestag anführt, sondern derzeit auch die Abteilung grober Klotz und grober Keil, vermeidet Provokationen. Am Wochenende hatte er SPD-Chef Martin Schulz wenig charmant ermuntert, er möge "den Zwergenaufstand in Griff" bekommen, der in dessen Partei gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union im Gange sei. Jetzt spricht Dobrindt vor allem von Verlässlichkeit, die für alle gelte - auch für die CSU.

Söder demonstriert ebenfalls großkoalitionäre Einheit, er verweist auf ein sehr solides und gutes Sondierungsergebnis, "und zwar für Deutschland". Daher rate er "dringend, dass man dieses gute Ergebnis auch gut vertritt". Bayerns stellvertretende Ministerpräsidentin Ilse Aigner erwartet von Schulz, "dass er das, was er verhandelt hat, bei seinen Leuten auch durchsetzen wird". Deutlicher wird Thomas Kreuzer, Chef der CSU-Landtagsfraktion, die sich bis Donnerstag mit ihrer Klausur im Kloster Banz auf die alles dominierende Landtagswahl im Herbst einstimmt. Auch die CSU habe Zugeständnisse machen müssen, etwa bei der Einkommensteuerreform. Wer aber wie die SPD an einem Tag Dinge vereinbare und am nächsten widerrufe, müsse sich die Frage nach der Regierungsfähigkeit stellen lassen. "Ich hoffe, dass die SPD sich besinnt", sagt Kreuzer.

Am meisten Verständnis für den möglichen Partner zeigt Seehofer. Er verfolge die Diskussionen innerhalb der SPD "mit Respekt", sagt der CSU-Chef, das sei "ein normaler Prozess in einer aufgewühlten Partei". Aber auch Seehofer lässt keinen Zweifel daran, dass Vereinbarungen einzuhalten seien. Bis zur letzten Minute habe man um Formulierungen gerungen. "Bei uns gilt der Grundsatz, dass wir Verträge halten." Eines müsse die SPD jedenfalls wissen, wolle sie über bereits zugesagte Inhalte neu verhandeln, warnt ein CSU-Mann. Dann werde auch seine Partei abgelehnte Forderungen wieder aufrufen, etwa bei Sachleistungen und Residenzpflicht für Flüchtlinge.

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SZ vom 16.01.2018
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