Süddeutsche Zeitung

Große Koalition:Erster Streit in der neuen Regierung

Das Werbeverbot für Abtreibungen sorgt für den ersten Konflikt in der großen Koalition. Die CSU wirft SPD-Fraktionsvize Högl "ungeheuerliche Entgleisung" vor.

Von Robert Roßmann, Berlin

Die neue Bundesregierung ist erst seit einem Tag im Amt - und schon gibt es in der großen Koalition den ersten Streit. Die CSU wirft der stellvertretenden SPD-Fraktionschefin Eva Högl eine "ungeheuerliche Entgleisung" vor. Anlass der Auseinandersetzung ist das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, das in Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs geregelt ist. Die SPD würde das Verbot gerne abschaffen, die Union lehnt das ab. Högl verlangte deshalb am Donnerstag in einem Tweet, "die widerlichen ,Lebensschützer*innen'" in der Union in den Blick zu nehmen und zu kritisieren. CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte der Süddeutschen Zeitung daraufhin, Frau Högl seien "wohl alle Sicherungen durchgebrannt: Nicht der Schutz des Lebens ist widerlich, sondern die Äußerung von Frau Högl". Die CSU bekenne sich "zum Schutz des menschlichen Lebens und zum Schutz der Menschenwürde, gerade in Grenzsituationen".

Blume verlangte von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles, die Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken ist, "ihre Stellvertreterin Högl zur Ordnung zu rufen". Jeder, der sich dem Schutz des menschlichen Lebens verschrieben habe, "erwartet eine Entschuldigung für diese Entgleisung", sagte Blume.

Wegen des Unmuts über ihren Tweet sah sich Högl gezwungen, zu reagieren. "Ich habe heute einen sehr emotionalen Tweet gelöscht, dessen Aussage ich damit zurücknehme", erklärte die Sozialdemokratin erneut via Twitter. Es liege ihr "fern, mit pauschalen Zuweisungen Einzelne persönlich zu beleidigen".

Högls Reaktion entspannte den Konflikt mit der Union aber nur teilweise. Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Nadine Schön, befand etwa: "Ob Tweet gelöscht oder nicht. Lebensschützer als ,widerlich' zu bezeichnen lässt tief blicken. Frauenrechte darf man nicht gegen Lebensschutz instrumentalisieren." Und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, es sei "absolut notwendig" gewesen, dass Högl den Tweet gelöscht und die damit verbundene Aussage zurückgenommen habe. Es gebe "Aussagen, die keine Emotion rechtfertigt". Leben zu schützen sei "nicht ,widerlich', sondern muss oberstes Ziel aller Demokraten sein - auch in der SPD".

Eigentlich hatten Union und SPD den Streit um das Werbeverbot bereits beigelegt. Die Vorsitzenden der beiden Koalitionsfraktionen hatten sich am Dienstag auf einen Kompromiss verständigt. Die Vereinbarung besteht aus zwei Sätzen: "Die SPD-Bundestagsfraktion wird ihren Gesetzentwurf zu §219a StGB jetzt nicht zur Abstimmung stellen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, Möglichkeiten einer Lösung zu prüfen und einen Vorschlag vorzulegen." Außerdem versicherte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch in der SPD-Bundestagsfraktion am Dienstagnachmittag, eine für beide Seiten akzeptable Lösung finden zu wollen.

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