Süddeutsche Zeitung

Große Koalition:SPD zerpflückt Sondierungs-Kompromiss

  • Einflussreiche SPD-Politiker wenden sich gegen die Sondierungs-Beschlüsse für eine mögliche große Koalition und fordern Nachbesserungen.
  • Erst am Samstag hatte der SPD-Parteitag in Sachsen-Anhalt gegen die Neuauflage einer schwarz-roten Regierung gestimmt - dabei ist die SPD-Spitze vom Votum der Delegierten und Mitglieder abhängig.
  • Aus CDU und CSU kommt heftige Kritik an den Wünschen des potenziellen Koalitionspartners.

Nur wenige Tage nach der Einigung greifen führende Sozialdemokraten das Ergebnis der Sondierungsgespräche mit der Union an: Sie fordern deutliche Änderungen bei den gemeinsam beschlossen Punkten - und provozieren damit den Widerstand von CDU und CSU. Berlins Bürgermeister Michael Müller sieht eine Neuauflage von Schwarz-Rot "sehr kritisch", wie er im Tagesspiegel am Sonntag sagte. Er finde im Papier von Union und SPD zwar "gute Ansätze" in der Bildungspolitik und für bessere Arbeit und Ausbildung, erklärte das SPD-Präsidiumsmitglied. Aber: "Bei Wohnen, Zuwanderung und Integration geht es so nicht." Müller fügte hinzu: "Die Bürgerversicherung fehlt ganz. Viel zu tun also." Eine Fortsetzung der bisherigen Koalition ohne entscheidende Veränderungen überzeuge ihn nicht.

Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner pochte zudem auf ein Verbot von Job-Befristungen ohne sachlichen Grund. "Ich bin für Koalitionsverhandlungen. Eine Koalition aber bilden sollte die SPD nur, wenn auch die sachgrundlose Befristung fällt", sagte er der Welt am Sonntag. "Diesen Punkt sollte der SPD-Parteitag am 21. Januar klarmachen."

Ergebnisse der Sondierungsgespräche von Union und SPD

"Wir wollen eine stabile und handlungsfähige Regierung bilden, die das Richtige tut" schreiben die Sondierer in ihrem Abschlusspapier. Lesen Sie das 28-seitige Dokument hier.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagte, Sondierungen und Koalitionsverhandlungen seien "unterschiedliche Paar Schuhe" Die SPD werde versuchen, "in den Koalitionsverhandlungen noch Erfolge zu erzielen", kündigte sie in den Zeitungen der Funke Mediengruppe an.

Die SPD-Führung hatte am Samstag eine herbe Schlappe an der Basis erlebt: Bei einer ersten Befragung über das Sondierungsergebnis sprach sich der Landesparteitag der SPD Sachsen-Anhalts in Wernigerode mit einer hauchdünnen Mehrheit gegen eine Neuauflage von Schwarz-Rot aus.

Hätte dieses Ergebnis Signalwirkung, würde das die weiteren Verhandlungen für die Parteispitze höchst kompliziert machen. Denn die SPD lässt am 21. Januar erstmals nach Sondierungsgesprächen einen Bundesparteitag über die Aufnahme förmlicher Koalitionsverhandlungen entscheiden. Falls dieser Parteitag den Weg für Verhandlungen frei macht, stimmen am Ende noch die Mitglieder in ihrer Gesamtheit noch einmal über den dann auszuhandelnden Koalitionsvertrag ab.

Widerstand gegen die neuen Vorstöße aus der SPD kommt unter anderem aus der CSU. Bayerns designierter Ministerpräsident Markus Söder lehnte weitere Zugeständnisse ab und pochte auf strikte Einhaltung der Sondierungsergebnisse: "Natürlich gilt alles. Die von allen Delegationen einstimmig beschlossene Sondierungsvereinbarung ist mit 28 Seiten doch fast schon ein Koalitionsvertrag", sagte er der Bild am Sonntag. "Auch die SPD hat dabei viel erreicht." Noch härter äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: SPD-Chef Martin Schulz müsse "jetzt zeigen, dass die SPD ein verlässlicher Koalitionspartner sein kann und er den Zwergenaufstand in Griff bekommt."

Auch aus der CDU kam unwirsche Kritik: "Was wir miteinander vereinbart haben, gilt. Alles andere ist unseriös", sagte der Vizevorsitzende Thomas Strobl den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Die Union ist strikt dagegen, einzelne inhaltliche Punkte noch einmal aufzumachen: Das Sondierungspapier ist die Grundlage für alle weiteren Gespräche. Grundlegende Dinge, die da nicht drin stehen, kommen auch nicht in einen Koalitionsvertrag." Namentlich nannte er die SPD-Forderung nach einer Bürgerversicherung. "Es wird mit der CDU keine Gespräche über die Einheitskasse geben", sagte Strobl, der auch Innenminister in Baden-Württemberg ist.

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