Süddeutsche Zeitung

CDU:Kramp-Karrenbauer ist zum Warten verdammt

Eigentlich müsste jetzt auch die CDU-Chefin die Koalition infrage stellen, die Gemeinsamkeiten mit der SPD sind aufgebraucht. Aber das kann sie nicht.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Annegret Kramp-Karrenbauer war am Sonntag in Kroatien und in Kosovo. Am Montag flog sie weiter nach Afghanistan. Erst am Mittwochabend wird die CDU-Chefin wieder in Deutschland sein. Unglücklicher kann eine Reiseplanung kaum sein, könnte man meinen. Schließlich haben die SPD-Mitglieder mit ihrem Votum für Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans die Koalition ins Wanken gebracht. Sollte man da nicht besser zu Hause in der CDU-Zentrale sitzen? Normalerweise schon, doch in diesem Fall ist nichts normal.

Die Genossen haben zwar für ein Duo gestimmt, das mit seiner Abneigung gegen die große Koalition Wahlkampf gemacht hat. Aber was das in der Praxis bedeutet, das wird man frühestens nach dem SPD-Parteitag wissen. Wenn die Union klug ist, wartet sie ab, wie die Sache ausgeht, bevor sie reagiert. Und abwarten kann man auch in Afghanistan. Womit man aber auch beim eigentlichen Problem der CDU ist. Denn kaum etwas in der Politik ist so unangenehm, wie auf die Reaktion anderer warten zu müssen.

Bisher weiß niemand, ob der SPD-Parteitag unerfüllbare Forderungen für den Fortbestand der Koalition beschließen wird oder nur eine lange Wunschliste. Es kann auch keiner abschätzen, ob Esken und Walter-Borjans von den Delegierten mit einem grandiosen Wahlergebnis gestärkt werden, oder einen ersten Dämpfer erhalten - davon wird aber die Härte ihres Umgangs mit der Koalition abhängen. Es ist noch nicht einmal klar, ob Olaf Scholz nach dem Parteitag Finanzminister bleiben will - und ob Arbeitsminister Hubertus Heil zum SPD-Vize gewählt wird. Die beiden gelten in der CDU zwar als harte Verhandler, aber auch als Sozialdemokraten, mit denen man vertrauensvoll und verlässlich koalieren kann.

Kramp-Karrenbauer hat es also mit einer extrem unübersichtlichen Lage zu tun. Eines ist aber schon jetzt sicher: Egal wie die kommenden Tage bei den Sozialdemokraten verlaufen, auch die CDU wird ein gewaltiges Problem haben. Denn seit der Niederlage des Duos Scholz/Geywitz ist sogar den Optimisten in der Union klar, dass die Koalition nicht mehr bis zum Ende der Legislaturperiode durchhalten dürfte. Im Streit um die Grundrente ist die CDU der SPD weit entgegengekommen - auch um Scholz den Weg an die SPD-Spitze und damit den Fortbestand der Koalition zu erleichtern. Aber selbst das hat nicht geholfen.

Stattdessen hat sich Kramp-Karrenbauer mit dem Grundrenten-Kompromiss den Unmut ihres Wirtschaftsflügels zugezogen, ein derartiges Entgegenkommen an die Sozialdemokraten wird sie sich in der eigenen Partei nicht noch einmal leisten können. Im Rennen um die Kanzlerkandidatur der Union punktet man mit Härte und nicht mit Konzilianz gegenüber der SPD. Auch deshalb, weil die meisten in der CDU finden, dass schon der bestehende Koalitionsvertrag viel zu sozialdemokratisch ist. Es ist deshalb kein Wunder, dass die CDU-Chefin der SPD jetzt damit droht, den Kompromiss zur Grundrente nur dann Gesetz werden zu lassen, wenn die Sozialdemokraten in der Koalition bleiben.

Eigentlich müsste jetzt auch Kramp-Karrenbauer die Koalition infrage stellen, die Gemeinsamkeiten mit der SPD sind aufgebraucht, das gegenseitige Vertrauen ist erschüttert. Aber selbst das kann die CDU-Chefin nicht, auch hier ist sie zum Abwarten gezwungen. Sie weiß, dass es CDU-Wähler nicht goutieren würden, wenn wegen der Union eine CDU-geführte Regierung mit einer immer noch angesehenen Kanzlerin scheitert. Und so bleibt Kramp-Karrenbauer nichts anderes übrig, als zu warten, bis die SPD Fakten schafft.

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SZ vom 03.12.2019/bix
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