Große Koalition:Konservative Allergien

Die CDU reagiert überraschend heftig auf den Linksruck ihres Koalitionspartners. Ein Hinweis darauf, dass die CDU ihre eigene Mitte noch nicht gefunden hat.

Thorsten Denkler

Dieser Parteitag der SPD war ein schöner Parteitag für die Genossen. Schön, weil alle etwas davon hatten. Die neue Führung um Kurt Beck erfreut sich hervorragender Wahlergebnisse, und die Basis tankt neues Selbstbewusstsein, weil sie nach den schröderschen Basta-Jahren kurzerhand ein Tempolimit durchgedrückt und die Bahn-Privatisierung auf Eis gelegt hat.

Der Parteitag bekam der Union hingegen gar nicht. Seit der Wahl 2005 versucht die Kanzlerin Angela Merkel, ihre Partei zu sozialdemokratisieren. Denn das ist eine Lehre aus der letzten Bundestagswahl: Der einst neoliberale Kurs hat Wählerstimmen gekostet. Die Mitte hat sich nach links verschoben.

Für Merkel ging die Rechnung auf, solange die Sozialdemokraten stoisch an der von Schröder eingeleiteten Reform-Agenda 2010 festhielten. Seht her, war ihre Botschaft, wir sind doch gar nicht so neoliberal, wie wir mal aussahen.

Mit dem SPD-Parteitag in Hamburg dürfte das vorbei sein. Die Sozialdemokratie rückt mit ihrem neuen Grundsatzprogramm hart nach links. Die aus Sicht der Bürger unsozialsten Auswüchse der Agenda 2010 - wie das verkürzte Arbeitslosengeld I - hat selbst ihr Erfinder Gerhard Schröder auf dem Hamburger Parteitag zum Abschuss freigegeben.

Die CDU hat jetzt ein Problem: Sie kann nicht noch weiter mitgehen, ohne ihre rechte Flanke zu öffnen. Kein Wunder, dass die Konservativen ziemlich allergisch reagieren. Merkel sagt, vom "Sozialismus haben wir in der DDR genug gehabt", Generalsekretär Ronald Pofalla will dafür sorgen, dass die Hamburger Beschlüsse "nie Regierungspolitik werden". Seine neue CSU-Kollegin Christine Haderthauer warnt gar den SPD-Vorsitzenden, jetzt nicht "den Bruch der Koalition" zu riskieren.

Dieses Säbelrasseln kündigt schon mal an, was das geneigte Publikum spätestens ab der Jahreswende 2008/2009 zu erwarten hat: den klassischen Lagerwahlkampf. Hier das Schreckgespenst einer Koalition aus rot-roten Sozial-Anarchisten. Dort die herzlosen Neokonservativen und Marktradikalen.

Wenn die Auseinandersetzung so weitergeführt wird, ist kein Platz mehr für Sachpolitik. Man kann nur hoffen, dass sich der Lärm in den nächsten Tagen wieder legt.

Zu erwarten ist das leider nicht. Die SPD-Spitze nimmt einige Bömbchen mit vom Parteitag in die kommenden Verhandlungsrunden mit der Union. Die Forderung nach einem allgemeinen Mindestlohn von 7,50 Euro für alle, ist mit der Union definitiv nicht zu machen. Das gilt auch für die Forderung, bei der Bahn-Privatisierung Volksaktien auszugeben, um große Kapitalgesellschaften wegen akutem Heuschreckenverdacht von der Bieterschlacht auszuschließen.

Die SPD hat begonnen, ihre Waffenkammer für den Wahlkampf aufzufüllen. Leichte Zuwächse in den Umfragen zeigen, dass sie da beim Wähler offenbar den richtigen Nerv trifft. Überraschend ist nur, dass der Union dazu immer noch so wenig einfällt.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: