Große Koalition:Drei Dinge braucht der Minister

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Auf teils ungewohnten Plätzen: Das neue Kabinett der dritten Regierung Merkel

(Foto: AFP)

Frisch vereidigt, aber ahnungslos: Ministerin von der Leyen beschäftigt sich seit wenigen Tagen mit Verteidigungspolitik. Gröhe hat von Gesundheitspolitik kaum Ahnung. Hendricks dürfte Umweltschutz allenfalls von der Mülltrennung kennen. Herrscht blanke Ignoranz in Berlin?

Ein Kommentar von Guido Bohsem, Berlin

Immerhin kann sie entwaffnend sein. Und wie! Kurz nach ihrer inoffiziellen Ernennung sitzt die künftige Verteidigungsministerin bei Günther Jauch und antwortet auf die Frage "Verstehen Sie was von Verteidigungspolitik?", dass sie seit Donnerstagabend so einiges darüber gelesen habe. Seit Donnerstag.

Am Donnerstag hatte nämlich Kanzlerin Angela Merkel ihre Parteifreundin Ursula von der Leyen gefragt, ob sie in den kommenden vier Jahren vielleicht Oberbefehlshaberin der Bundeswehr werden wolle und damit hauptverantwortlich für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik des Landes. Überrascht habe sie das, so von der Leyen; doch noch am selben Abend sagte sie zu. Bammel ist ihr offenbar fremd.

So ist das bei von der Leyen, so auch bei großen Teilen des restlichen Kabinetts. Der neue Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist ein kluger Mann, doch von der Schlangengrube Gesundheitspolitik hat er keine nennenswerte Ahnung. Die Umweltministerin in spe, Barbara Hendricks (SPD), ist eine ausgewiesene Finanzexpertin mit Regierungserfahrung, den Bereich Umwelt dürfte sie allenfalls von der Mülltrennung zu Hause kennen.

Unerfahrene Minister

Alexander Dobrindt (CSU) kennt die Autobahnen Bayerns und auch das Internet, weshalb er, logisch, Verkehrsminister mit Zuständigkeit für Dateninfrastruktur wird. Auch in Entwicklungsländern gibt es Landwirtschaft, weshalb, klar doch, der Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, Gerd Müller (CSU), neuer Entwicklungshilfeminister werden muss.

Jedes Amt bringt eine enorme Vielzahl äußerst vertrackter Probleme mit sich. In jedem Bereich suchen die Strippenzieher in und außerhalb des politischen Raums jeden erdenklichen Vorteil. Die Parteifreunde und die Gegner, die Lobbyisten und die Verbände sind bereit, die Unerfahrenheit eines Ministers gnadenlos auszunutzen. Sie warten nur auf die Gelegenheit.

Ist es also fortgeschrittene Ignoranz oder Schlimmeres, wenn Politiker auf Ministerien losgelassen werden, in denen jeder Referatsleiter sie fachlich in die Tasche stecken, rausholen, zusammenfalten und wieder reinstecken könnte?

Was einen guten Minister auszeichnet

Weder noch! Zwar wiegen die Einwände schwer, und es kann keinesfalls schaden, als Minister auch Experte zu sein. Jedoch zeichnet es einen guten Politiker aus, auch als Minister in erster Linie ein guter Politiker zu sein und nicht der kundigste Thebaner seiner Behörde. Die fachliche Kompetenz ist zweitrangig, es zählt vor allem das politische Geschick. Wer darüber verfügt, kann auch ein völlig fremdes Ressort führen.

Mindestens drei Fertigkeiten des politischen Handwerks muss ein Minister besser beherrschen als die anderen. Erstens muss er vertrauen können, und zwar seinen Beamten. Bei ihnen liegen das Wissen und die Kompetenz. Unter ihnen gibt es viele Spitzenleute, die getrimmt sind, ihrem Dienstherrn zuzuliefern - egal, aus welcher Partei er kommt und welches Vorwissen er mit sich herumschleppt.

Diesen Schatz muss der Minister heben und dazu braucht es einen starken und arbeitswütigen Vertrauten an der Seite; jemand, der bereit ist, sich in den Kleinkram des Themas hineinzugraben und aus dem Wirrwarr die großen Linien zu ziehen. So ausgestattet, braucht der Minister nur noch eine feste Haltung und einen gesunden Verstand, um den Fachdschungel zu lichten - was manche schon überfordert.

Frischer Blick und beherztes Handeln

Zweitens muss der Minister als oberster Botschafter seiner selbst ständige Tuchfühlung zur Fraktion und seiner Partei halten. Aus Fehlern werden vielfach nur deshalb Affären und Rücktritte, weil der Rückhalt der eigenen Leute fehlt. Einen Gesetzescoup kann nur der durchsetzen, der Vertrauen in den eigenen Reihen gefunden und demonstriert hat.

Schließlich muss der Minister in der Lage sein, der Öffentlichkeit seine Vorhaben zu erklären. Nur wer sich verständlich machen kann, dem hören die Menschen zu, und nur wer Zuhörer findet, kann tatsächlich überzeugen. Der politische Kommunikator muss in der Lage sein, einprägsame, überzeugende und dennoch eingängige Bilder zu finden. Häufig sind da Sattelfestigkeit bei der Funktionsweise des Gesundheitsfonds oder tiefe Einblicke in das Beschaffungswesen der Bundeswehr eher hinderlich als nützlich.

Es ist keine Schande für die Bundesrepublik, wenn sich in den nächsten Wochen Minister auf Posten einüben, denen die Seniorität und Fachkompetenz eines alten politischen Schlachtrosses wie Wolfgang Schäuble abgeht. Vielleicht ermöglicht die Ahnungslosigkeit sogar einen frischeren Blick und beherzteres Handeln - nach drei, vier Monaten wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Erst dann wird man sehen, ob die frisch berufenen Minister tatsächlich das sind, was sie im neuen Amt sein müssen: gute Politiker.

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